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Medienmitteilung des Komitees Nein zur Initiative
"Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache" ParlamentarierInnen sagen NEIN (youtube) |
Am 26. Januar 2010 hat eine Gruppe von ParlamentarierInnen, mit
Unterstützung des Vereins "Mamma" (früher "Für Mutter und Kind"/SHMK) eine Initiative "Abtreibungsfinanzierung ist
Privatsache" lanciert. Sie verlangt, dass
"unter Vorbehalt von seltenen Ausnahmen Schwangerschaftsabbruch und Mehrlingsreduktion
im Obligatorium nicht eingeschlossen sind", die Kosten also von der Grundversicherung
nicht mehr bezahlt werden.
Am 4. Juli 2011 – kurz vor Ende der 18-monatigen Sammelfrist – ist die
Initiative mit 109'600 gültigen Unterschriften (nötig sind 100'000) eingereicht
worden.
Die Initiative "Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache" wird vordergründig als Beitrag zur Kostensenkung im Gesundheitswesen und zur Reduktion der Abtreibungszahlen begründet. Den Schwangerschaftsabbruch bezeichnet der Co-Präsident des Komitees, SVP-Nationalrat Peter Föhn, als "unnötige Leistung". Schwangerschaftsabbruch habe mit Krankheit absolut nichts zu tun. Die Krankenversicherung dürfe nur die wichtigsten Leistungen gemäss Art. 32 Krankenversicherungsgesetz abgelten (Leistungen müssen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein).
Diese Argumentation ist absurd und verlogen. Weder würden durch die Streichung der Leistungspflicht Kosten gespart, noch würde die Zahl der Abbrüche markant abnehmen. Andererseits hätte die Annahme der Initiative "Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache" gravierende Folgen.
Argumente
Wer steckt dahinter ? /
Initiativkomitee siehe auch "Die
Anti-Abtreibungs-Players"
Pflichtleistung seit 1981
Keine Ersparnis, sondern Mehrkosten
Initiative gefährdet die Gesundheit von Frauen
Weitere negative Folgen
Missachtung des Volkswillens
Welche Ausnahmen ?
Minderjährige
Mehrlingsreduktion
Zynisch – Auf dem Buckel der Ärmsten
Aufkündigung des Solidaritätsgedankens
Wer steckt dahinter ?
Die Initiative "Abtreibungsfinanzierung ist
Privatsache" ist eindeutig ein Kind des Vereins "Mamma", welcher
1998 die Initiative für ein totales Abtreibungsverbot lanciert und 2002 die Kampagne gegen die
Fristenregelung geführt hat.
Gleich nach seiner Niederlage in der Volksabstimmung von 2002 kündigte der Verein eine
Initiative an, die sich gegen die Zahlungspflicht der
Krankenversicherung richten werde. Im September 2009 bat er die
Mitglieder um Unterstützung für die Lancierung eines solchen Begehrens.
vgl :
Neue Strategie der Abtreibungsgegner?
Die Adresse des Initiativkomitees ist Münchenstein – dort befindet sich
auch der Sitz von "Mamma" und der SHMK.
Das Initiativkomitee
Im Initiativkomitee "Abtreibungsfinanzierung ist
Privatsache" sitzen PolitikerInnen aus dem Kreis
der katholisch und evangelikal konservativen
extremen Abtreibungsgegner,
die sich schon immer gegen die Fristenregelung engagiert haben:
Weitere negative Folgen der Initiative "Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache"
Das Volk hat der Leistungspflicht 2002 klar zugestimmt
"Seltene Ausnahmen"?
Unklar bleibt im Initiativtext, welche Ausnahmen gelten sollen. Die
Initianten sprechen nur von Vergewaltigung und Lebensgefahr für die
Schwangere. Was ist bei schwer missbildeten Föten? Bei einem grossen, aber nicht
lebensgefährdenden Gesundheitsrisiko für die Schwangere?
Paradoxerweise stellen sich nicht alle Anti-Abtreibungsorganisationen hinter die Initiative, weil sie eben gerade Ausnahmen zulässt…
Minderjährige unter 16 Jahren
Warum die Initiative es angeblich verunmöglichen würde, dass
unter 16-Jährige den Abbruch ohne
Wissen der Eltern durchführen können, ist unerfindlich. Davon steht
nichts in der Initiative.
Übrigens sind Abbrüche in diesem Alter äusserst selten und meist
werden diese Mädchen von ihren Eltern begleitet und unterstützt.
Es kommt aber vor, dass die Mädchen gute Gründe haben, ihre
Schwangerschaft vor den Eltern zu verheimlichen. Für einige Mädchen
kann es gar überlebenswichtig sein, dass die Eltern (z.B.
fundamentalistische Muslime) nichts erfahren.
Das Gesetz schreibt vor, dass unter 16-Jährige eine Beratungsstelle besuchen müssen,
nicht zuletzt, um sie vor dem Druck gewisser Eltern zum Abbruch –
oder zum Austragen – zu schützen.
Die Kosten für
Mehrlingsreduktionen
Diese Kosten sollen gemäss Initiative von den
Kassen auch nicht übernommen werden. Höhergradige
Mehrlingsschwangerschaften von mehr als 2 oder 3 sich entwickelnden
Embryonen sind selten und in der Fortpflanzungsmedizin eigentlich
ein Kunstfehler. Eine höhergradige Mehrlingsschwangerschaft
ist aber sowohl für die Schwangere wie für die werdenden Kinder ein
stark erhöhtes gesundheitliches Risiko. Eine Reduktion drängt sich in solchen Fällen
oft auf.
Zynischer Vorschlag
– auf dem Buckel der Ärmsten
Das Argument, die Frauen
müssten sich dann halt mit einer Zusatzversicherung absichern,
ist zynisch. Gerade Frauen, die sich kaum die
Grundversicherung, geschweige denn eine Zusatzversicherung
leisten können, sind auf die Kostenübernahme für den Eingriff durch
die Krankenversicherung angewiesen. Ganz abgesehen davon, dass keine
Frau damit rechnet, eine Schwangerschaft abbrechen zu müssen.
Das Solidaritätsprinzip wird durch die Forderung der
Initiative untergraben.
Diese Entsolidarisierung
widerspricht den ethischen Grundlagen des Schweizerischen
Gesundheitssystems (vgl.
Stellungnahme der
Nationalen Ethikkommission NEK Nr. 12/2006 "Ethische
Verzichtserklärungen" gefährden das Solidaritätsprinzip der
Krankenversicherung).
Auf der Basis moralischer Überzeugungen Andersdenkenden die
Solidarität aufzukündigen stellt gemäss NEK einen unzulässigen
Übergriff des Gesundheitssystems in die Persönlichkeitssphäre der
Versicherten dar.
Dies ist auch aus dem Grund fragwürdig, weil es zu
einer Ausweitung des Ausnahmeprinzips aus der Solidargemeinschaft
führen könnte:
Eine derartige Entsolidarisierung ist der falsche Weg, um der Kostensteigerung zu begegnen. Es geht nicht an, dass Versicherte mit weltanschaulicher Begründung auswählen, welche medizinischen Behandlungen in der Grundversicherung FÜR ANDERE VERSICHERTE bezahlt werden sollen und welche nicht. Niemand ist gezwungen, Behandlungen, die er ablehnt, in Anspruch zu nehmen oder aktiv dabei mitzuwirken.
Stellungnahmen gegen die Initiative "Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache"
Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab
(9.5.2012)
Botschaft des Bundesrates
Medienmitteilung des Komitees "Nein zur Initiative
Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache"
Die Kommission des Nationalrates verwirft die
Initiative mit 18 : 5 Stimmen
(2.11.2012)
Medienmitteilung der Kommission
Der Nationalrat lehnt die Initiative mit 130
: 29 Stimmen ab (17.4.2013)
Medienmitteilung des Vereins
"Nein zum Angriff auf die Fristenregelung"
Die Kommission des Ständerates verwirft die Initiative einstimmig (2.7.2013)
Eidgenössische Räte, Schlussabstimmung
(27.9.2013)
Nationalrat: verwirft die Initiative mit 155 : 33 Stimmen
Ständerat: verwirft die Initiative mit 37 : 5 Stimmen
Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission, 17.4.2013
Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission NEK Nr. 12/2006
Stellungnahme Schweiz. Evang. Kirchenbund
Stellungnahme PLANeS (Sexuelle
Gesundheit Schweiz)
Stellungnahme Hebammenverband
Stellungnahme der Schweiz.
Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe SGGG
Verbindung der Schweizer Ärzte FMH
APAC-Suisse
Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner
Association romande et tessinoise des
conseillers-ères en santé sexuelle
(französisch)
Schweiz. Katholischer Frauenbund
Stellungnahme FDP-Frauen Schweiz
Stellungnahme der Grünen Partei der Schweiz
Stellungnahme CVP-Frauen Schweiz
Stellungnahme
Eidg. Kommission für Frauenfragen EKF
Stellungnahme Fondation Profa (französisch)
Neue Anti-Abtreibungsinitiative – Attacke auf die Fristenregelung (Referat Rey 28.3.12)
Medienkonferenz der Arbeitsgruppe "Nein zur Initiative
Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache" vom 29.5.2012,
Referate
Der Schwangerschaftsabbruch im Kontext der sexuellen Rechte (S. Rohner, Sexuelle Gesundheit Schweiz)
Eine Abtreibung ist eine private und selbstbestimmte Entscheidung jeder Frau! (Y. Feri, SP)
Fristenregelung – Ein wichtiger Beitrag zur Reduktion der Schwangerschaftsabbrüche, und ein Spiegel für die
Gleichstellung der Frau in der Schweiz (Y. Gilli, die Grünen)
Non à l’initiative „financer l'avortement est une affaire privée"
(M. Amgwerd, CVP-Frauen)
Non à l’initiative „Financer l’avortement est une affaire privée"
(I. Moret, FDP-Frauen)
Nein zum Rückschritt! (A. Rey)
Veranstaltung vom 2. Juni 2012: 10 Jahre Fristenregelung – Wir wollen keine Rückschritte
Resolution: 53 nationale Organisationen sagen NEIN zum Rückschritt (pdf)
Einführungsvotum
A. Cotting, Sexuelle Gesundheit Schweiz (pdf)
Referat A.M. Rey (pdf)
Referat Helene Huldi (pdf)
Referat J. de
Quattro, Regierungsrätin VD (pdf)
Es handelt sich bei diesem Begehren um nichts anderes als eine undemokratische, ideologische Zwängerei, um eine hinterhältige Attacke auf die Fristenregelung. Das Endziel ist nach Aussage von Nationalrat Freysinger das Totalverbot der Abtreibung.