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FALSCH: "In allen Ländern, in denen eine Fristenregelung eingeführt wurde, haben die Abtreibungen massiv zugenommen."
Befürchtungen, die Einführung einer Fristenregelung könnte zu einem deutlichen Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche und zur Vernachlässigung der Verhütung führen, sind unbegründet.
Die Gegner der Fristenregelung unterschlagen, dass es in den meisten dieser Länder vor der Legalisierung eine grosse Zahl von illegalen – naturgemäss nicht statistisch erfassten – Abtreibungen gab. Trauriges Zeugnis dieser Tatsache und Spitze des Eisbergs waren die daraus resultierenden, in Spitälern behandelten schweren Komplikationen und die Todesfälle. Ferner berücksichtigen die von den Abtreibungsgegnern veröffentlichten absoluten Zahlen nicht, dass die weibliche Bevölkerung im gebärfähigen Alter zugenommen hat. Relevant ist nicht die absolute Zahl der Abbrüche, sondern die Rate pro 1000 Frauen.
Es kommt sehr darauf an, welches Land man betrachtet. Bzw. welches die Ausgangssituation war, vor Einführung einer Fristenregelung:
Wo es vor einer Liberalisierung viele illegale Abtreibungen und wenig Verhütungsmittel gab, nahm die Zahl der legalen Schwangerschaftsabbrüche logischerweise nach der Liberalisierung zu – diejenige der illegalen aber entsprechend ab. Das trifft z.B. auf Dänemark, England, Kanada und die USA zu. In den meisten dieser Länder ist die Abortrate anschliessend wieder gesunken, dank Fortschritten der Verhütung. In Dänemark hat sie sich halbiert!
Abortrate vor und nach Einführung der Fristenregelung auf 1000 Frauen 15-44-jährig |
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Land | vorher | 1. Jahr danach | Maximum | letzte verfügbare Zahl |
Dänemark | 9,4 (1970) | 24 (1974) | 27 (1975) | 14.7 (2013) |
Italien | – | 15,9 (1979) | 19,6 (1982) | 9,6 (2012) |
Kanada | 12,6 (1980) | 12,6 (1989) | 16,3 (1997) | 13,3 (2011) |
Schweden | 19,2 (1974) | 20,3 (1975) | 21,5 (1989) | 20,3 (2013) |
Wo sich vor der Legalisierung schon eine liberale Praxis eingebürgert hatte und Verhütungsmittel seit langem frei zugänglich, illegale Abtreibungen daher bereits verschwunden waren, gab es keine Zunahme (Norwegen, Holland, Deutschland).
Abortrate vor und nach Einführung einer Fristenregelung (auf 1000 im Land wohnhafte Frauen, 15-44jährig) |
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Land | Vorher | 1. Jahr nachher | Letzte verfügbare Zahl |
Deutschl. * | 8.7 (1990) | 7.64 (1996) | 7.2 (2013) |
Holland ** | 7.3 (1973) | 5.1 (1985) | 8.5 (2013) |
Norwegen | 19.7 (1975) | 17.7 (1979) | 15.3 (2012) |
Das entspricht der heutigen Situation in der Schweiz. Seit den 70er Jahren hat sich die Praxis des Schwangerschaftsabbruchs in der Schweiz stark liberalisiert. In der Folge sind die illegalen Abtreibungen (sie wurden Ende der 60er Jahre auf mind. 20'000 geschätzt) verschwunden. Obwohl bereits Ende des vergangenen Jahrhunderts praktisch jede Frau eine ungewollte Schwangerschaft legal abbrechen konnte, ist die Zahl der legalen Abbrüche nicht etwa angestiegen, sondern ebenfalls von etwa 16'000 im Jahr 1970 auf 10'000 (2013) gesunken, weil sich gleichzeitig eine gute Verhütungspraxis eingebürgert hat. Die prophezeite Zunahme ist nicht eingetreten.
vgl. Abtreibungszahlen in Europa – unterschiedliche Tendenzen
Bemerkungen
Neuerdings weisen die
Gegner der Fristenregelung auf die Zunahme der Zahl der
Schwangerschaftsabbrüche in Holland hin, das lange Zeit als
Musterbeispiel eines Landes mit liberaler Gesetzgebung und der
niedrigsten Abortrate galt. Dazu ist folgendes zu bemerken: Nach
Inkrafttreten der Fristenregelung Ende 1984 blieb die Abortrate bis 1995
während 10 Jahren mehr oder weniger stabil. Danach ist sie etwas
angestiegen und hat sich seit 2001 auf etwas höherem Niveau wiederum
stabilisiert.
Diese Zunahme ist jedoch nicht der Fristenregelung zuzuschreiben,
sondern wird von allen holländischen Fachleuten vor allem auf die starke
Zuwanderung von Frauen zurückgeführt, die aus Ländern stammen, wo sich
Verhütung noch nicht eingebürgert hat. Ihre Abtreibungsrate ist 2-10 mal
höher als jene gebürtiger Holländerinnen.
Ausserdem: Holland ist immer noch unter den Ländern mit den weltweit
niedrigsten
Abortraten
Mehr über Holland
Die Erfahrung lehrt: Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ist nicht von Abtreibungsgesetzen abhängig. Sie wird bestimmt durch die Praxis der Schwangerschaftsverhütung. Daher sind in den meisten Ländern, die eine Fristenregelung eingeführt haben, nicht nur die illegalen Abtreibungen verschwunden, sondern auch die Zahl der legalen Eingriffe hat nach einiger Zeit allmählich zu sinken begonnen, wenn eine Präventionspolitik betrieben wurde (Dänemark, Frankreich, Norwegen, Schweden, USA). Andererseits hat in vielen Ländern die Bevölkerungszunahme durch Immigration zu einem Wiederanstieg der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche geführt.
Quellen: Nationale Statistiken