Abtreibung – Schwangerschaftsabbruch: Für das Recht auf einen freien Entscheid

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Letzte Aktualisierung
02.08.2003
 

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Berichte / Meinungen

"In Verantwortung entscheiden – Frauen berichten"

Bernadette Kurmann, hrsg. SVSS, 1998. 100 S.   Fr. 15.- 
Erhältlich im Buchhandel oder bei A.M. Rey mit Bestellformular

In welcher Situation befinden sich Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen? Wie fühlen sie sich danach? 15 Frauen im Alter zwischen 84 und 25 Jahren erzählen ihre persönliche Geschichte. Sechs Fachleute geben Auskunft.

"Auf jeder Seite dieses Buches bemühen sich Menschen, mit einfachen Wörtern die Wahrheit, ihre Wahrheit zu finden. In dieser Schrift wird nicht über Frauen diskutiert, es wird mit Frauen geredet." (Laure Wyss)

Aus dem Inhalt:

Ich musste mit dem Gefängnis rechnen
(Jahrgang 1914)
Schon die Heirat war eine Muss-Heirat. Im Nachhinein war das schon richtig, doch als ich nach einem halben Jahr wieder schwanger war, ist mir alles über den Kopf gewachsen. …   Genf war meines Wissens der einzige Ort, an dem damals eine Abtreibung überhaupt möglich war. Ich fuhr alleine nach Genf. …  Was ich tat, war gegen das Gesetz. Ich musste befürchten, im Gefängnis zu landen. Ich kannte diese Situation von einer Frau aus meinem Dorf. Sie wurde erwischt und eingesperrt. …  Mir ist wichtig, dass der Abbruch legal wird und die Frauen nicht länger Opfer bleiben. Es ist nicht recht, dass Frauen ein Kind aufgezwungen werden kann.

Ich war nicht reif für die Mutterschaft
(Jahrgang 1951)
Ich bemerkte meine Schwangerschaft sehr schnell. Meine Periode war sonst immer regelmässig. Mir war sofort klar, dass ich nicht austragen wollte. Die Situation mit meinem Freund war alles andere als ideal. … Die Abtreibung verlief sehr unproblematisch. …  Bereut oder bedauert habe ich diesen Eingriff nie. …  Trauer in diesem Zusammenhang kenne ich keine. Ich erinnere mich, dass ich in den Wochen der Schwangerschaft oft einen Traum hatte: Ich träumte, dass ich ein Kind zu Hause habe, ich dieses Kind aber immer vergass. Der Traum sagt mir, dass ich weder bereit noch fähig für eine Mutterschaft gewesen bin. Der Entscheid für den Abbruch war also völlig richtig. Diesen Traum hatte ich später nie wieder.

Erfahrungsberichte von Frauen

Mariella

Im März 1991 wurde ich, 43 Jahre alt, schwanger. Ein Arzt riet mir, mich einem Ultraschalltest zu unterziehen und danach, sollte der Embryo aufgrund meines Alters missgebildet sein, abtreiben zu lassen. Ich konsultierte einen andern Arzt und liess ihn wissen, dass ich mich keinesfalls in der Lage sähe, ein Kind zu bekommen und es seinen Bedürfnissen gemäss zu umsorgen und aufzuziehen. Ich sei auch keinesfalls gewillt, einen negativen gesundheitlichen Befund des Embryo abzuwarten, um dann gewissermassen ohne Schuldgefühle abtreiben zu dürfen. Ich machte ihn auf meinen erklärten Willen aufmerksam, kein Kind zu wollen. Mein Lebenspartner und ich waren uns in der Entscheidung einig. Wir standen und stehen noch heute voll im Berufsleben, das uns wichtig ist und das wir als unsern persönlichen Beitrag zur menschlichen Gemeinschaft betrachten.
Was dann folgte, kann ich heute, nach über 10 Jahren, immer noch kaum glauben. Es war entwürdigend, zynisch und unmenschlich.
Ich wurde zum psychiatrischen Gutachten zitiert. Der Test dauerte genau 4 Minuten. Der Gutachter fragte mich, ob ich an einer speziellen oder gar erblichen Krankheit litte, was ich verneinte. Auf meine starken Brillengläser aufmerksam geworden, erklärte er mich als sehbehindert und notierte eine erblich bedingte Augenkrankheit, noch ehe ich ihm sagen konnte, um was für eine Augenkrankheit es sich genau handelte. Der Gutachter stellte mir ein Zeugnis aus, ich bezahlte ihm 530.– Franken bar auf die Hand, was weitere 3 Minuten in Anspruch nahm. Anschliessend wurde ich, mit der Adresse eines Schwangerschaftsabbrüche vornehmenden Arztes versehen, entlassen.
Auf Nachfrage wurde mir von vielen Seiten versichert, es handle sich bei dem Frauenarzt um einen umsichtigen, liberalen Menschen, dem man sich ohne Angst anvertrauen könne. Er gehöre zu den Befürwortern der weiblichen Selbstbestimmung. Der Termin für ein Vorgespräch war rasch gefunden. Mein Lebenspartner und ich fanden uns ein und bekundeten beide, den Abbruch gemeinsam durchstehen zu wollen. Der Arzt weigerte sich mit der Begründung, dies sei meinem Lebenspartner nicht zumutbar, auf unsern Wunsch einzugehen. Für eine andere Arztwahl fehlte die Zeit. Also mussten wir uns dem selbstherrlichen und zynischen Entscheid des Arztes fügen. Meinem Lebenspartner war es gerade mal gestattet, im Warteraum auf mich zu warten.  
Schliesslich lag ich auf dem Gynäkologenstuhl, die Bestecke waren sterilisiert, der Arzt trug die obligaten Handschuhe. Einige Sekunden vor dem Abbruch schob er den Monitor in mein Gesichtsfeld und meinte: Sehen Sie sich doch an, was Sie da abtreiben. Bei Ihrer eigenen robusten Gesundheit hätten Sie höchstwahrscheinlich auch ein kerngesundes Kind zur Welt gebracht. Sie können sich also vorstellen, wie ungern ich diesen Abbruch vornehme."
Den Abbruch selbst, auch das, was man allgemeinhin "Trauerarbeit" nennt, habe ich unbeschadet hinter mich gebracht. Nicht aber die demütigenden, entwürdigenden und verletzenden Begleiterscheinungen, die in mir das Gefühl weckten, verantwortungslos, unmoralisch, ja kriminell gehandelt zu haben. Dieses Gefühl zu überwinden, daran arbeite ich noch heute.
Eine Fristenregelung schlösse in den meisten Fällen ein derartiges, psychisch unnötig schmerzhaftes Vorgehen aus. Die Frauen müssten sich weniger mit Schuldgefühlen herumquälen, die Selbstbestimmung stünde gewährleistet.
Ich plädiere deshalb für die Fristenregelung, in einer offenen, liberalen Gesellschaft, die diese Adjektive verdient. Es kann nicht sein, dass einerseits unter bestimmten medizinischen, oft an den Haaren herbeigezogenen Bedingungen Abtreibung zwar erlaubt ist, Frauen aber über den Verlauf einer solchen Abtreibung bereits am Ort des Geschehens, aber auch für mehrere Jahre ihres Lebens stigmatisiert werden und sich für ihren selbstbestimmten Entscheid bestraft fühlen müssen.

Mariella Mehr, Dr.phil.h.c., Schriftstellerin


Meike

Ich bin Deutsche (24-jährig) und lebe in der Schweiz. Ich habe bereits einen einjährigen Sohn und vor kurzem habe ich erfahren, dass ich ungewollt schwanger war. Ich nehme zwar die Pille, habe aber wohl einmal eine vergessen. Ich rief bei meiner Frauenärztin an, weil meine Tage unregelmässig kamen. Dass ich zunahm, hatte ich dem Essen zugeschrieben und mir vorerst weiter keine Gedanken gemacht. Aber dann kamen mir doch Zweifel. Da sie im Urlaub war, machte ich einen Test, der positiv ausfiel. Daraufhin vereinbarte ich einen Termin im Spital in unserer Umgebung. Dort wurde festgestellt, dass ich bereits schon in der 16. Woche war… Ich war schockiert. Von da an ging das Gerenne los, da es ja auf jeden Tag ankam. Ich wurde am nächsten Tag an ein anderes Spital in unserem Kanton verwiesen. Ich hoffte, dort würde man mir weiterhelfen. Aber dem war nicht so. Die Antwort war: "Wir können nichts für Sie tun, gehen Sie zur einer Beratungsstelle, wenn sie Geld brauchen".
Mir ging es nicht um Geld!!! Mir ging es um meinen Sohn und mich, in dieser unerträglichen Situation. Dass mein Sohn zu kurz kam, war für die Ärzte nicht wichtig – "Sie schaffen das schon"… – Ich hatte heftigste Kopfschmerzen jeden Tag und nahm regelmässig "Sponstan", war müde durch den Stress und schlief viel. Ich rief im Unispital in Zürich an. Mein nächster Weg führte zu einer Psychiaterin, um das Gutachten zu bekommen, sowie es nach Auskunft des Unispitals der Kanton Zürich für Abbrüche nach der 12. Woche verlangt. Aber nach einem Streit und Tränen verliess ich das Sprechzimmer wieder. Sie war so unfreundlich… das habe ich noch nie erlebt. Sie malte ein Schreckensbild des Eingriffs. Kann ihr ja egal sein – ist ja nicht IHR Leben, sondern nur meines und das meines Sohnes.
Die Situation wurde immer unerträglicher… Etliche Anrufe zu anderen Kliniken usw. Ich habe noch nie gesagt, ich bin am Ende – aber diesmal war es so. Ich hab schon viel durchgemacht, aber jetzt schwirrten mir düstere Gedanken durch den Kopf. Aber ich konnte meinen Sohn doch nicht alleine lassen. Also machte ich mich weiter auf die Suche und landete im Internet auf der Seite der Bloemenhove Klinik – meine letzte Hoffnung.
Ich rief dort an und es wurde sofort ein Termin vereinbart. 5 Tage später war ich schon in Holland.
Dieser Klinik in Holland gilt mein grosser Dank! Der Abbruch ist dort bis zur 22. Woche LEGAL! In Beratungsgesprächen dort mit den Ärzten wurde auf MICH eingegangen, nicht wie in der Schweiz. Auch die Methode des Abbruches in den Niederlanden kann ich nur gut heissen. In Zürich wird mit Prostaglandin eine Fehlgeburt herbeigeführt, Spitalaufenthalt ca. 3 Tage. In den Niederlanden wird eine Kürettage gemacht und vor der 18. Woche kann man nach 2 Stunden wieder gehen.
Ich bekam zwei Tabletten zur Weitung des Muttermundes und später wurde der Abbruch unter Vollnarkose mit einer Kürettage durchgeführt. Der Eingriff dauerte 10 Minuten.
Als ich aus der Narkose aufwachte, musste ich lachen… ich war so froh! Ich hatte noch nie so ein nettes Ärzteteam erlebt… weder in der Schweiz noch in Deutschland. Mir geht es wieder gut und ich habe wieder Freude am Leben, die Kopfschmerzen sind weg. Es ist Quatsch, dass es einem nach dem Abbruch schlecht geht. Ich fühle mich als ob ich ein neues Leben, eine neue Chance bekommen habe. Bin einfach nur glücklich. Ich verstehe einfach nicht, warum andere Länder das nicht den Frauen überlassen??? Es ist IHR Leben… Klar lebte vor kurzem auch noch eines in mir, aber man kann doch nicht um jeden Preis jede Schwangerschaft austragen, wenn man sich nicht in der Lage dazu fühlt, nur weil es so ein dummes Gesetz gibt??? Soll man darunter leiden, soll man sein Leben zerstören?
Ich weiss, es ist erst kurze Zeit her, aber ich bin mir sicher, dass es für mich der richtige Weg war.


Ursula

Mein persönlicher Standpunkt ist schon lange klar – auch bzw. gerade – weil ich mich schon vor 19 Jahren damit auseinandersetzen musste. Ich habe mich zweimal für (!) die Kinder entschieden. Trotzdem fühle ich mich persönlich betroffen, da ich damals (in der BRD) beide Male unter einem enormen Aussendruck seitens des Partners und beider Familien gestanden bin, die einen Abbruch befürwortet (erwartet) haben.
Die damalige Zwangsberatung empfand ich als Entmündigung – sozusagen das i-Tüpfelchen auf der seelischen Belastung. Die Abbruchserlaubnis durch einen Fremden (Arzt) ebenfalls.


Simona

Als ich schwanger wurde, war ich achtzehn Jahre alt. Mein damaliger Freund lebte in Chile, wo ich ein Jahr als Austauschschülerin verbracht hatte. Meine Schwangerschaft bemerkte ich wenige Tage nach meiner Rückkehr in die Schweiz. Natürlich war es ein Schock, ich wusste weder ein noch aus, und meine Hoffnungen klammerten sich an die sehr kleine Möglichkeit einer Scheinschwangerschaft. Meine Eltern und eine Freundin wussten Bescheid und standen mir zur Seite. Es war klar, dass sie jede Entscheidung meinerseits akzeptieren und unterstützen würden. Die Frauenärztin, mit der ich Kontakt aufgenommen hatte, war eine Freundin meiner Familie und daher auch schon eine Vertrauensperson. Sie hat sofort einen Termin für mich gefunden und mir in Gesprächen und mit Ratschlägen den Rücken gestützt. Für mich war es überhaupt nicht von Anfang an klar, dass ich die Schwangerschaft abbrechen wollte. Es war ein langer Kampf mit mir selbst, über Tage und Nächte hinweg. Für meinen damaligen Partner war es klar, dass er das Kind unbedingt wollte, auch wenn er vorgab mir die Entscheidung zu überlassen. Irgendwann habe ich gemerkt, dass jede Entscheidung richtig sein kann, wenn sie nur von mir getroffen wird. Es gibt keine absolute Wahrheit, ich würde jede Möglichkeit irgendwie meistern können. Es bringt nichts, Argumente hin und her zu denken, ich musste nur versuchen, zu fühlen was ich in diesem Moment meines Lebens wirklich wollte. Ich bin sehr dankbar, dass mir meine Familie und meine Ärztin diese Freiheit gelassen haben.
Ich wusste, dass es zwei Möglichkeiten gab, meine Schwangerschaft abzubrechen. Ich habe mich (gegen den Rat meiner Ärztin) für Mifegyne entschieden. Ausschlaggebend waren die Erlebnisse einer betroffenen Frau, die zwei Schwangerschaften abgebrochen hatte. Einmal unter Totalanästhesie und einmal nur lokal. Sie hat mir erzählt, dass sie an Ersterem im Nachhinein vielmehr zu beissen hatte, da sie überhaupt nichts miterleben konnte. Beim zweiten Mal habe sie zwar vielleicht im Moment mehr gelitten, da sie während des Eingriffs wach war, doch war das für die Verarbeitung im Nachhinein sehr hilfreich.
Ich habe keine schlechten Erinnerungen an den Eingriff mit Mifegyne. Die betreuende Person war sehr hilfreich und verständnisvoll, ich hatte bis zur letzten Sekunde die Möglichkeit mich anders zu entscheiden. In meinem Fall ist alles sehr unkompliziert verlaufen. Ich hatte auch keine allzu grossen Schmerzen (etwas mehr als bei einer gewöhnlichen Menstruation). Die Frucht konnte ich anschliessend mitnehmen und im Grab meiner Grossmutter begraben. Das war für mich ein sehr würdiger Abschied von meiner Schwangerschaft.
Ich bin heute 20 Jahre alt. Ich habe nie an meiner Entscheidung gezweifelt und auch nie unter Gewissensbissen gelitten. Meine Schwangerschaft und der anschliessende Abbruch ist eine wichtige Erfahrung, die ich gemacht habe. Ich weiss, dass es die einzig richtige Entscheidung war, weil sie von mir getroffen wurde.


Doris

Auch ich gehöre zu den mindestens 700’000 Frauen in der Schweiz, welche die Erfahrung eines Schwangerschaftsabbruchs haben. Ich bin aber auch ans Thema gebunden durch den missglückten illegalen Abbruch, den meine Mutter vor 50 Jahren machte. Sie musste sich dann doch mit mir abfinden. Für mich und mein ganzes Umfeld bedeutete es viel Leid. Auch heute noch nage ich an meiner Kindheit. Ich bin dankbar, dass ich meinen zwei Kindern sagen kann, dass sie Wunschkinder sind. 
Ich finde, meine Mutter hat damals genauso verantwortungsvoll gehandelt wie ich es vor 15 Jahren tat. Sie war sich bewusst, dass ihre Lebenssituation ihr nicht erlauben würde, sich in den nächsten 18 – 20 Jahren auf ein 5. Kind einzustellen. Sie ist vor 19 Jahren gestorben. Ich bedaure, dass wir diesen Brief deshalb nicht gemeinsam unterzeichnen können.


Michaela

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ein "Dankeschön" aussprechen und zwar dafür, dass es Ihre Seite im Internet gibt. Endlich einmal keine Hetzkampagnen von Abtreibungsgegnern, sondern Menschen und Beiträge, die mir aus der Seele sprechen.
Ich bin eine 22-jährige Deutsche und habe vor drei Wochen eine Abtreibung vornehmen lassen. im November 2001 hatte ich einen schweren Autounfall und es war mir nicht möglich, das Kind auszutragen, trotz stabiler Partnerschaft, finanzieller Unabhängigkeit usw. – da ich immer noch sehr unter den Unfallfolgen leide, hätte ich meinem Kind zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht die Mutter sein können, die ich für meine späteren Kinder immer sein wollte. Ich persönlich bin der Meinung, dass jedes Kind ein erwünschtes Kind sein darf und Frauen ihre Gründe für eine Abtreibung haben. Allerdings maßen sich Abtreibungsgegner – zumeist auch noch Männer – an, über den Körper der Frau zu bestimmen. Dies KANN und DARF nicht sein!!
Trotz der jetzigen Abtreibung werde ich in ein paar Jahren eine Mutter sein, die ihre Mutterschaft bewusst erleben und genießen kann.
Darum nochmals ein herzliches "Dankeschön" für Ihre Homepage, als ich die dortigen Berichte von betroffenen Frauen und Ärzten gelesen habe, war ich unendlich erleichtert…
5.6.2002


Barbara

Für mich als ungewollt Schwangere war die Frage nach dem Status des Embryos irrelevant. Natürlich war es Leben, das in meinem Bauch keimte, und die körperlichen Veränderungen waren feststellbar, ein Wunder! Andererseits hing dieses Leben total von mir ab, und diese Verantwortung auf mich zu nehmen war mir zu diesem Zeitpunkt eine zu schwere Bürde. Aus dieser persönlichen Erfahrung halte ich ein Abtreibungsverbot für unethisch, denn es kommt einem Gebärzwang gleich. Niemand anders als die Frau selbst kann entscheiden, ob die ungewollte Schwangerschaft und Mutterschaft für sie zumutbar ist oder nicht.


Michèle

Mein Name ist Michèle und ich bin 30 Jahre alt. Mitte Mai 2000 wurde ich schwanger, weil ich einen Tag vergass die Pille zu nehmen. Zuerst wollte ich das Kind behalten, aber die Beziehung zu meinem Freund verschlechterte sich rapide, wir hatten vorher schon Probleme. Und so entschied ich mich, ziemlich spät, erst in der 11. Woche, doch abzutreiben.
Mein Freund fühlte sich hintergangen, es sei schliesslich auch sein Kind und ich nähme ihm einfach "sein" Kind weg! Aber ich machte ihm klar, dass ich im Falle einer Trennung dann alleine da stünde und er nur die Freuden eines Wochenendvaters hätte, aber der tägliche Stress würde an mir haften bleiben. Er war trotzdem noch dagegen, hat aber meine Entscheidung schliesslich akzeptiert.
Meine Gynäkologin gab mir die Adresse der Frauenklinik und dort bekam ich sofort einen Termin für den Ultraschall und auch für den Eingriff. Die Ansprechperson der Klinik gab mir die Adresse einer Psychiaterin und ich hatte am gleichen Tag, an dem ich zum Ultraschall musste, den Termin für das psychiatrische Gutachten.
Es ist wirklich eine Farce, da musste ich noch zum Psychiater, obwohl ich schon den Termin für den Schwangerschaftsabbruch hatte, und das Ganze (das Gutachten) kostete auch noch 330 Franken!
Ich finde einfach, dass eine Frau keinen Psychiater braucht, wenn sie sich die Gründe für und gegen einen Abbruch der Schwangerschaft gut überlegt hat, und feststellt, dass sie nicht bereit ist, ein Kind aufzuziehen, und es so auch für das Baby am Besten ist!
Es ist klar, dass ich noch heute, einen Monat später, manchmal traurig bin und mir Fragen stelle, wenn andere das, was ich getan habe, als Mord bezeichnen. Aber dass es die richtige Entscheidung war, da bin ich mir hundertprozentig sicher.


Alex

Sehr geehrter Herr Ständerat, Sie sagen, dass es kaum eine Frau gebe, die nach einer Abtreibung nicht unter schweren psychischen Folgen zu leiden habe. Ich weiss nicht, mit wie vielen Frauen Sie schon gesprochen haben, die einen Abbruch an sich vornehmen liessen und welche Selektion Sie in Ihren Gesprächen vorgenommen haben. Die Frauen, die ich kenne, haben ihren Abbruch seelisch und körperlich heil hinter sich gebracht. Dazu gehört beispielsweise auch meine eigene Mutter, die 1935 als 18-Jährige in Genf abtreiben liess. Sie konnte immer frei und ohne Gewissensbisse darüber sprechen. Ihr damaliger Entscheid stimmt für sie bis heute immer noch.


Carla

Anfang Februar habe ich einen Schwangerschaftsabbruch machen lassen. Ich war sehr froh über diesen Abbruch – und bin es noch immer. Klar, auch heute noch ist dieses Thema nicht ohne Schmerzen für mich (nicht körperliche Schmerzen), aber ich denke, ich habe alles recht gut überstanden.
Mir half in der Zeit der Entscheidung ausserordentlich, dass mir andere Frauen beistanden. Obwohl Abbrüche immer "die andern" machen, konnte ich plötzlich feststellen, dass die andern meine Mutter, Freundinnen meiner Mutter, Freundinnen von Freundinnen usw. sind. Ich habe mich deshalb entschlossen, meinen Schwangerschaftsabbruch nicht geheim zu halten. Warum sollte ich andern die Unterstützung, die ich bekam, nicht auch zukommen lassen?
Was ich bei dieser offensiven Taktik bemerkt habe, ist, dass vor allem Männer mir immer wieder eine bevorstehende Psychose prognostizieren. Glaubt man der Männerwelt, leiden fast alle Frauen nach einem Abbruch. Gehe ich nach den Erfahrungen meiner Mutter und ihrer Freundinnen, die den Abbruch bereits vor einigen Jahren haben machen lassen und also mehr Erfahrung in der Verarbeitung damit haben als Frauen in meinem Alter (ich bin 30), sind es die wenigsten.


Margrit

Ich habe vor etwa 40 Jahren eine Schwangerschaft abgebrochen. Ich denke, eine Frau soll sagen dürfen: "Nicht jetzt, nicht mit diesem Mann, unter diesen Voraussetzungen. Dafür wird später ein anderes Kind kommen, das es sonst nicht gegeben hätte".


Ines

Ich bin in der "unangenehmen Lage", dass ich sehr wahrscheinlich schwanger bin, dies jedoch ungewollt. Ich stiess auf Ihre Website und danke Ihnen ganz herzlich für die informativen Facts – das hilft vielen Frauen…


Ungewollte Kinder

Ungewollt

Die Gegner der Fristenregelung haben offenbar das Gefühl, dass alle geretteten Kinder unendlich dankbar für ihre Existenz sind. Dies ist bestimmt in einigen Fällen so. Ich für meinen Teil habe es nie besonders attraktiv empfunden, wenn meine Mutter meinte, sie hätte mich doch lieber abgetrieben. In diesen Situationen ist man als Kind schlicht und einfach überfordert und als Teenager schien der Selbstmord eine gute Lösung. Noch heute (ich bin 31) werde ich zeitweise für das Unglück meiner Mutter verantwortlich gemacht. Das ist auch jetzt noch sehr erniedrigend, denn ich habe keine Schuld an meiner Existenz. Es gibt Tage, da wäre ich tatsächlich lieber tot.
Wenn ich einem Kind diese Demütigungen, die ich als ungewolltes Kind erlitten habe, ersparen kann, dann hat sich mein Einsatz für die Fristenregelung gelohnt.

Claudia Béguin


Lisa

1977 haben meine Eltern geheiratet. Anderthalb Jahre später kam ich zur Welt. Während meiner gesamten Kindheit wurde ich vor allem von meiner Mutter geschlagen und psychisch fertig gemacht. Mein Vater hat sich nie für mich eingesetzt. Mir kam es vor, als wäre ich ihm egal. Meine Mutter hatte irgendwie Hass auf mich. Mein jüngerer Bruder wurde von allen bevorzugt. Er konnte mich sogar vor unserer Mutter als Hure bezeichnen und sie sagte nichts dagegen. Hatte ich schlechte Noten in der Schule, wurde ich geschlagen. Zudem wurde ich als billige Arbeitskraft ausgebeutet. In meiner Freizeit musste ich kochen, putzen und meine Familie bedienen. In meiner Mädchenzeit war ich depressiv, hatte jahrelang schlimmste Alpträume, ständig Magen- und Herzschmerzen. Als ich in die Lehre ging, fing ich an rezeptpflichtige Beruhigungsmittel mit Alkohol zu konsumieren, um abschalten zu können. Jahre später habe ich von meiner Tante erfahren, dass meine Mutter sich von meinem Vater im ersten Ehejahr hätte scheiden lassen, wenn sie nicht schwanger gewesen wäre. Ich bin der Ansicht, dass sie mir viel Leid erspart hätte, wenn sie die Schwangerschaft abgebrochen hätte.


Anna

Ich hätte eigentlich nicht auf die Welt kommen sollen. Meine Eltern hatten schon 3 Mädchen, die letzte war 7 Jahre alt und meine Mutter wollte sich scheiden lassen – und da wurde sie nochmals schwanger, vermutlich nicht unter den besten Bedingungen. Alle Versuche für einen spontanen Abort haben fehlgeschlagen. Die grosse Enttäuschung kam bei der Geburt : nochmals "nur" ein Mädchen. Also hat meine Mutter nochmals 5 Jahre gewartet und sich danach scheiden lassen. Die Beziehung zu meiner Mutter war katastrophal – ich war immer ihr Hindernis, für die Scheidung, für eine neue Beziehung, usw. Sie hatte mich nicht abgetrieben, aber weggetrieben. Mit der Volljährigkeit war ich für sie inexistent. – Das ist eine ganz kurze Zusammenfassung. Die Realität war komplexer und nicht immer einfach. Für mich war es umso wichtiger, meinen Kindern sagen zu dürfen, dass sie sehr erwünscht waren.


Adoption

Susanna :

Ich bin sehr glücklich über den Ausgang der Abstimmung vom 2. Juni 2002 und möchte dazu eine wahre Geschichte erzählen:
Ich bin Jahrgang 1940, also über 60 Jahre alt und kenne daher das Leben, im Gegensatz zu den jungen Leuten, die teilweise zu Wort gekommen sind. Mit 20 Jahren habe ich ein uneheliches Kind geboren – damals eine Schande. Eine Abtreibung wurde vom Arzt abgelehnt. Meine Eltern haben mir zwar finanziell geholfen aber sonst wurde ich allein gelassen. Ich musste mein Kind in einem Kinderheim in der französischen Schweiz zurücklassen und ging zurück nach Zürich. Nach einiger Zeit habe ich dort wieder angefangen zu arbeiten und suchte deshalb einen Krippenplatz für mein Kind. Das war im Jahr 1961 und es war trotz intensiver Suche kein Platz zu finden, auch nicht in der Umgebung. Ich war genötigt, mein Kind 100 km weit weg zu platzieren. Ohne Auto war es mir unmöglich, eine Beziehung zu meinem Kind aufzubauen. Zudem war das Kinderheimleiterehepaar nicht gerade hilfreich, war mein Kind doch das einzige Baby und die Frau war nicht in der Lage Kinder zu gebären. Den Rest können Sie sich ausmalen: Nach 6 Jahren habe ich aufgegeben und ihnen das Kind zur Adoption freigegeben!
Im Jahr 1963 habe ich dann geheiratet und ein weiteres Kind bekommen. Danach wurde ich mehrmals schwanger, obwohl ich jeden Monat durch den Gynäkologen ein Pessar einsetzen liess. Die Finanzen liessen zu jenem Zeitpunkt keine weitere Schwangerschaft zu und somit habe ich mehrmals abgetrieben, immer sofort, sobald die Periode ausblieb – bis dann die Pille verfügbar wurde. Anfänglich wollte mir mein Arzt nicht helfen, ich habe es dann selbst gemacht, danach war es für ihn kein Thema mehr. Diese "Abtreibungen" in den ersten Tagen waren für mich keine psychische Belastung sondern eine enorme Erleichterung.
Ganz sicher hätte ich mir von niemandem befehlen lassen, dass ich ein Kind auszutragen habe; dies liegt in meiner eigenen Verantwortung. Ich wäre bei Bedarf auch mit der Stricknadel vorgegangen!
Was heisst denn hier "Ja zum Leben", ja was für ein Leben denn? Wir haben doch schon viel zu viele Kinder, die ungeliebt und unbehütet sind. Selbst wenn eine Frau das Cabriolet einem Kind vorzieht, sollte sie das Cabriolet haben.
Eine Adoption kann nie eine Lösung sein. Im Gegensatz zu den Abtreibungen habe ich die Adoption bis heute nicht verkraftet, obwohl ich Kontakt zu meinem längst erwachsenen Kind habe. Keine Mutter gebärt ein Kind, um es dann wegzugeben, das ist eine menschenunwürdige Praxis und wenn ich das Wort "Babyklappe" höre, wird mir schlecht.
3.6.2002


Nadine

Ich bin adoptiert worden. Mein grösster, tiefster seelischer Wunsch wäre zu wissen, dass meine leibliche Mutter mir mit Freude das Leben schenkte. Dem ist wahrscheinlich bis ziemlich sicher nicht so. Man kann niemanden zu so Etwas wie Freude zwingen! […] Ich bekam die notwendige Kraft, selbst glückliche Mutter zu sein aus zwei Kanälen, nämlich der Liebe und dem Wissen, dass ich aus eigener, freier Entscheidung dieses Kind in meinem Leben begrüsste. […]
Natürlich ist und war es für mich hart, mir vorzustellen, dass es mich vielleicht nicht gegeben hätte. Aber schliesslich gehört es allgemein zum Leben, sich auch mit der Tatsache des Todes auseinanderzusetzen. Was ich aber mit absoluter Gewissheit weiss, ist: Das was meine leibliche Mutter für mich getan hat, darf nicht verlangt werden. Ich sage dies als adoptiertes Kind, als Mutter eines Kindes und als Bürgerin der Schweiz.


Fachleute

Jene Zeiten möchte ich nicht zurück!

Ich bin 70, Mutter und Grossmutter, pensioniert. Eigentlich könnte ich mich zurücklehnen. Schwangerschaften sind nicht mehr mein Thema. Ein Schwangerschaftsabbruch ist ein Übel, ein für jede Frau gravierender Entscheid, kostet Leid und Tränen. Es sei jede Frau dankbar, wenn sie nie vor dem Entscheid stand.
Mir machen aber die Verfechter des „Lebensrechtes des Kindes“ Angst. Als ob mit einem Verbot der Abbruch verhindert würde. Ich habe als junge Staatsanwältin in Basel noch Strafverfahren wegen Abtreibung geführt. Und diese Zeiten möchte ich nie mehr zurück. Da gab es Geschichten, die ich bis heute nicht vergessen kann. Diese illegalen Abtreibungen waren grauenhaft. Aktive Abtreiber sind die schlimmsten Verbrecher. Und trotzdem wandten sich die verzweifelten Frauen, die das Geld für einen Abbruch im Ausland nicht hatten, an diese „Engelmacher“, denn wenn eine Frau überzeugt ist, dass sie das Kind nicht austragen kann, wird sie es auch nicht austragen, koste es, was es wolle. Dann nimmt sie die Abtreibung in einer Küche, in der Velowerkstatt, im Hinterzimmer auf sich, mit all den grässlichen Werkzeugen, vom Mutterrohr mit Seifenwasser bis zur Stricknadel und der Velospeiche, im vollen Wissen, dass sie verbluten, an einer Luftembolie, einer Infektion sterben kann. Dass sie bestraft werden konnte, wenn sie die Prozedur überlebte und sie auskam (oft durch sehr unschöne Weise), hat keine vom Eingriff abgehalten; die Strafe hat sie auch nicht beeindruckt.
Wer also einer Beibehaltung oder gar Verschärfung der Strafbarkeit der Abtreibung das Wort redet, geht von völlig falschen Voraussetzungen aus: Er wird kaum eine Abtreibung verhindern, er nimmt aber Siechtum oder Tod von Frauen in Kauf, wird damit zum potentiellen Mörder von verzweifelten Frauen, die oft genug auch Mütter sind.

Dr.iur. Annemarie Geissbühler
Mai 2002


Keine "objektive Wahrheit“

Die Auseinandersetzung um die Abstimmung zur Fristenlösung betrifft auch mich als Psychiater. Immer wieder sehe ich in meiner Praxis Frauen, bei denen ich als Gutachter Stellung nehmen muss, ob eine Abtreibung durchgeführt werden darf. Das heutige Gesetz schreibt mir die Rolle zu, in kürzester Zeit eine Frau in der Ausnahmesituation einer unerwünschten Schwangerschaft zu beurteilen und festzustellen, ob sie durch ein Austragen der Schwangerschaft in erheblichem Ausmass gefährdet ist.
Natürlich habe ich durch meine Ausbildung und Erfahrung etliches an Wissen, um eine Einschätzung zu machen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit korrekt ist. Es wäre aber vermessen zu behaupten, dass in der sehr kurzen, zur Verfügung stehenden Zeit eine gesicherte, objektive „Wahrheit“ festgestellt werden kann. Es ist nicht möglich, dass mich mein Fachwissen im Laufe eines ein- oder zweistündigen Gesprächs mit einer Frau zu einem Experten ihres Lebens machen kann. Sie selbst hat mit Sicherheit mehr Wissen über sich, und bietet darob die grössere Sicherheit, ihre Lage richtig einzuschätzen. Ich denke, es ist höchste Zeit, dieser Realität mit der Fristenregelung gerecht zu werden.

Dr. med. Heiner Lachenmeier, Psychiater
Mai 2002


Chancenlos

Wir arbeiten seit Jahren mit den Spätfolgen der sogenannt ungewollten Kinder im jugendlichen und erwachsenen Alter. Ein oft lebenslanges Erbe begleitet sie auf ihrem chancenlosen Lebensweg. Finanziert werden diese „ungewollten“ Kinder nicht von der Organisation „Mutter und Kind“, sondern von den staatlichen Sozialhilfen. Die Initiative „Für Mutter und Kind“ schreibt in den Abstimmungsunterlagen: “Die Initiative will, dass keine Frau aufgrund einer Schwangerschaft zum Sozialfall wird“. Ein christliches Anliegen. Doch kennen ihre Mitglieder die Realität und wie lange Kinder finanziell und emotionell von der Mutter, bzw. den Eltern abhängig sind?  
Könnten wir im 21. Jahrhundert nicht endlich einsehen, dass es Themen gibt, wo die Männer die Entscheidung den Frauen überlassen können?

Lis und Eric Misteli


Unverwurzelt

Austragen oder abbrechen einer ungewollten Schwangerschaft? Letztlich geht es doch immer um ein Kind und dessen Entwicklungschancen. Vorrangiger Schutz für das Ungeborene verträgt sich schlecht mit der Lebenswirklichkeit jener Menschen, die es eigentlich gar nicht hätte geben sollen. Gewiss kommen viele von ihnen auch unter widrigen Bedingungen zu einem erwachsenen Dasein im Rahmen der Norm. Andere, und von denen kenne ich allzuviele, verwirklichen ihr Unerwünschtsein ein Leben lang. Dissoziale, Süchtige, Gewalttätige gehören sehr häufig zu solchen Unverwurzelten. Aber ungleich öfter entstehen aus ursprünglichen Geborgenheitsmängeln jene Beziehungsstörungen und Selbstwertkonflikte bis hin zur Depression, die im Stillen familiäres Unglück und weiteres Kinderelend nach sich ziehen. Die Schicksalshaftigkeit solcher Lebensläufe selbst über Generationen hinweg ist beeindruckend. Für mich ist es ganz klar eine Frage verantwortlicher Elternschaft, nur dann zu einem werdenden Kind ja zu sagen, wenn für sein Gedeihen ein Minimum an nötigen Voraussetzungen besteht. Niemand ausser der Schwangeren selber kann dafür Verantwortung übernehmen. Dafür brauchen wir endlich eine rechtliche Basis. Ja zur Fristenregelung.

Dr.med. Hans PETER
April 2002


Eine Frau starb in meinen Armen

Als Medizinstudent erlebte ich, wie eine türkische Frau in meinen Armen an den Folgen einer illegalen Abtreibung starb. Daher setze ich mich für die Fristenregelung ein und führe selbst Schwangerschaftsabbrüche durch.

Dr. med. Claudio Bosia, Lugano


Zitate / Meinungen / Texte

Franziska Greising
Dein Ernst, Papa?

Ich sitze im Bus, und der Bus sitzt im Stau, und mein Blick bleibt hängen an einem Plakat. Ich sehe eine Frau, sie hat es sich am Boden bequem gemacht, vor ihr krabbelt ein nacktes pummeliges Baby, und sie ist glücklich. Das sehe ich gleich. Sie hat ja sogar nicht bloss das Kind, sondern irgendwo auch einen Papa für ihr Kind. Rechts im Bild lese ich nämlich den Satz: Danke, Papa, dass du für das Leben stimmst. Ja, dieser Papa kann getrost sein Nein gegen die Fristenlösung in die Urne legen. Denn Mama und Baby zu Hause haben es gut, sie haben ihren Papa, der alle Probleme für sie beseitigt. Aber es betrifft selten die sonnige Familie aus der Vögele-Werbung, wenn eine Abtreibung zum existentiellen Thema wird. Oft, wenn eine Entscheidung zur Abtreibung real wird, ist kein Papa da für Mama und ihr angekündigtes Baby. Oder er ist da, aber es ist kein Verlass auf ihn. Oder er ist arbeitslos, krank, gewalttätig oder genauso überfordert wie die Frau. Darum rettet Papa, wenn er am 2. Juni Nein stimmt, wahrscheinlich kein Baby. Vielmehr riskiert er das Leben Tausender von Frauen, die sich trotzdem für den Schwangerschaftsabbruch entscheiden werden und die Operation ganz allein vornehmen. Weil’s in ihren Augen eben doch sein muss. Illegal. Und mit der Aussicht, auch noch strafrechtlich verfolgt zu werden. Danke, Papa, dass du für das Leben stimmst. Als ob eine Fristenregelung eine Epidemie wäre, die über Baby und Mama von ausserhalb der Erde hereinzubrechen droht. Und nur Papas Nein allein sie vor dem Angriff schützen könnte. Frauenkörper sind seit je ein beliebtes Objekt für mancherlei Angriffe und Absichten gewesen. Davon erzählen ja auch die beiden Plakate, die rein zufällig links und rechts von Mama und Baby an der Wand neben der Strasse kleben. Links wirbt eine Dunkelhaarige im perfekten Bikini für ein Top zu 19.90. Rechts eine Blonde für Schmuck, und ich weiss nicht, soll frau sie beneiden oder man sie begehren. Okay, damit haben wir leben gelernt. Der Frauenkörper wurde jedoch nicht primär für die Werbung und fürs Geschäft erdacht. Zunächst ist er so schön und anziehend, weil er der Fortpflanzung dient. Und weil ihm dazu der Mann dient, der gewonnen werden will. Mit andern Worten: der weibliche Körper ist, wie er ist, zwecks der einzigartigen Fähigkeit, Leben zu reproduzieren. Bei jedem meiner Herzschläge gebären drei Frauen irgendwo in der Welt ein Kind. Obwohl noch zahllose andere Fähigkeiten sie auszeichnen, die mit viel weniger Risiko verbunden sind, tun sie es unentgeltlich und mit aller Selbstverständlichkeit. Sie steigern dadurch die Zuwachsrate der Erdbevölkerung jährlich um 78 Millionen. Jeder zweite Mensch im Alter zwischen zwölf und fünfzig ist in der Lage, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Und fast jeder zweite Mensch zwischen zwölf und fünfzig tut es. Damit sorgen sie dafür, dass die Menschheit nicht ausstirbt. Aber jeder zweite Mensch im Alter zwischen zwölf und fünfzig ist auch jederzeit in der Lage, ungewollt schwanger zu werden. Und vielleicht möchte oder muss dieser Mensch dann darauf verzichten, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Weiss der Kuckuck, warum wir in diesem Fall das Recht haben sollen, irgend einer Frau drein zu reden. Und warum sie nicht wenigstens eine Frist und Schonzeit bekommen soll, um in dieser Situation frei und in Würde zu entscheiden. Sie hingegen kurzerhand zu entmündigen und dank ihrer Biologie zur potentiellen Kriminellen zu stempeln, das kann doch nicht Papas und Mamas Ernst sein.

11. Mai 2002


Peter Frei, Arzt

Föten sind ein Wunderwerk der Natur. Ohne Mut und Freude der schwangeren Frau jedoch fehlt ihnen der Boden, auf dem sie gedeihen können.


Gisèle Halimi, Vorkämpferin für den straffreien Schwangerschaftsabbruch in Frankreich:

"Die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs hat das Leben der Frauen vollständig verändert. Ich denke, das Recht der Frau, sich selbst zu gehören, Herrin ihres Körpers zu sein, ist eine Vorbedingung für alle anderen Freiheitsrechte. Es ist eine Illusion, von wirtschaftlicher oder kultureller Unabhängigkeit zu sprechen, wenn eine Frau nicht zuerst sich selbst gehört und nicht mehr Sklavin des Schicksals ist."


Isolde Schaad, Schriftstellerin

"Selbstbestimmung in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs ist ein Grundrecht der Frau".
Aussage vor der Abstimmung vom 2.6.02


Maria Becker, Schauspielerin

"Ich bin der Meinung, dass jede Frau über ihre Schwangerschaft selbst entscheiden können soll. Es darf nicht sein, dass eine Drittperson über ihr Schicksal bestimmen kann."
Aussage vor der Abstimmung vom 2.6.02


 

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