Abtreibung – Schwangerschaftsabbruch: Für das Recht auf einen freien Entscheid

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Letzte Aktualisierung
29.07.2006

 

 

 

 

 

 

Zur Kampagne gegen die Fristenregelung

Offener Brief der ExpertInnen
Resolution der Frauenorganisationen

Kommentar von Prof. Dr. iur. Peter Albrecht, Basel

In einer Plakatkampagne wird neuerdings der Slogan "Die Fristenlösung ermöglicht Abtreibungen bis zur Geburt" verbreitet. In ähnlicher Weise hat sich die Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind (SHMK) in einer Medienmitteilung geäussert: "Die Fristenlösung erleichtert Abtreibungen bis zur Geburt". Die hier zitierten Behauptungen sind jedoch irreführend und verkennen die Tragweite der vom Parlament beschlossenen Fristenregelung. Sie suggerieren nämlich, dass die neuen Gesetzesbestimmungen – im Gegensatz zum geltenden Recht – Schwangerschaftsabbrüche in einem späten Stadium förderten. Demgegenüber ist indessen aus juristischer Sicht Folgendes festzuhalten:

  • Auch gemäss den heute in Kraft stehenden gesetzlichen Normen (Art. 118 ff. StGB) sind Schwangerschaftsabbrüche, falls die geforderte medizinische Indikation vorliegt, bis zur Geburt zulässig. Die Voraussetzungen einer straflosen Unterbrechung der Schwangerschaft (Art. 120 StGB) sind an keine zeitlichen Limiten gebunden. Insoweit bringt die Fristenregelung keine Änderung.
  • Unzutreffend ist sodann die Äusserung der SHMK, die bisherige Indikation der grossen Gefahr dauernden schweren Schadens an der Gesundheit der Schwangeren (Art. 120 StGB) werde in eine beliebig interpretierbare psychische Indikation ("schwere seelische Notlage") umgewandelt. Schon heute werden nämlich bei der Auslegung der medizinischen Indikation in weitem Masse psychische und soziale Faktoren mitberücksichtigt (dies in Anlehnung an den Gesundheitsbegriff der WHO). Dementsprechend spielen die Fälle einer seelischen Notlage in der aktuellen Praxis des legalen Schwangerschaftsabbruchs eine erhebliche Rolle. Im übrigen ist hier mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass die neue Regelung für Abbrüche in einem späten Zeitpunkt der Schwangerschaft eine zusätzliche wesentliche Einschränkung vorsieht, welche das geltende Recht nicht kennt. So muss aufgrund von Art. 119 Abs. 1 Satz 2 die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren Notlage der Frau umso grösser sein, je fortgeschrittener die Schwangerschaft ist. Dieses Erfordernis trägt dem Wert des ungeborenen Lebens unmittelbar vor der Geburt in besonderem Masse Rechnung.
  • Für die Frage, ob die vom neuen Art. 119 Abs. 1 StGB verlangte Indikation vorliegt, kommt dem ärztlichen Urteil eine wichtige Bedeutung zu. Das heisst nun aber – entgegen der Behauptung der SHMK – nicht, dass ein Allgemeinpraktiker oder Gynäkologe allein über die schwere seelische Notlage zu befinden hat. Vielmehr sind in solchen Fällen selbstverständlich entsprechende Fachleute beizuziehen. Abgesehen davon ist die ärztliche Beurteilung nicht einfach der Willkür oder dem wirtschaftlichen Interesse einer einzelnen Person ausgesetzt. Allfällige Missbräuche lassen sich nämlich durch die richterliche Kontrolle in der Rechtsanwendung vermeiden.

9. November 2001


Offener Brief der Expertinnen und Experten für die Fristenregelung

Für Lauterkeit und Toleranz

Die Unterzeichnenden dieses offenen Briefes sind besorgt über den Umgang mit Fakten, den die „Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind" (SHMK) pflegt:

  • Ihre auf grossen Plakaten verbreitete Behauptung, die Fristenregelung ermögliche Abtreibungen bis zur Geburt, wurde von Frau Bundesrätin Metzler und von namhaften JuristInnen klar als irreführend bezeichnet.
  • Mit Inseraten versucht die SHMK zur Zeit die These zu stützen, dass in allen Ländern nach der Einführung der Fristenregelung die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in die Höhe schnelle. Diese Zahlen sind so nicht haltbar. Sie sind aus dem Zusammenhang herausgerissen und vollkommen falsch interpretiert. Die SHMK unterschlägt, dass es in den meisten dieser Länder vorher ohne jeden Zweifel eine grosse Zahl illegaler Abtreibungen gab, die naturgemäss nicht in den Statistiken erschienen.
  • Immer wieder wird behauptet, Frauen litten nach einem Schwangerschaftsabbruch häufig unter dem sogenannten Post Abortion Syndrome (PAS). Auch wenn einige Frauen nach dem Eingriff psychische Probleme haben, so beweisen doch zahlreiche Studien, dass es ein „PAS" nicht gibt und dass Frauen mit einem Schwangerschaftsabbruch nicht häufiger an psychischen Problemen leiden als andere Frauen.
  • Immer wieder behauptet die SHMK, ein Schwangerschaftsabbruch widerspreche dem „verfassungsmässigen Recht auf Leben". Dieses Argument ist aus rechtswissenschaftlicher Sicht falsch. Weder unsere Verfassung noch unsere Gesetze billigen vorgeburtlichem Leben ein absolutes Recht auf Leben zu.
  • Immer wieder wird behauptet, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass das Leben mit der Zeugung beginne. Diese Aussage ist falsch: Leben als solches beginnt nicht, es wird weiter gegeben. Andrerseits lässt sich die Ansicht, das Personsein beginne mit der Zeugung, nicht wissenschaftlich beweisen. Vielmehr handelt es sich um eine individuelle, ethisch-philosophisch begründete Überzeugung.
  • Vor allem in Leserbriefen wird Frauen immer wieder vorgeworfen, sie begingen mit einem Schwangerschaftsabbruch einen Mord. Mord ist jedoch ein im Strafgesetzbuch definierter Begriff, der den Sachverhalt des Schwangerschaftsabbruchs nicht erfasst. Wir bitten die GegnerInnen der Fristenregelung, von der missbräuchlichen Verwendung dieses Wortes Abstand zu nehmen. Eine solche Sprache ist ehrverletzend für Frauen und Ärzteschaft.

Uns fällt auf, dass die SHMK ihre Kampagne angeblich im Interesse der Frauen führt, in ihrem Abstimmungskampf aber Frauen als unmündig und verantwortungslos hinstellt oder gar massiv beleidigt und verletzt.

Wir fordern die Gegnerinnen und Gegner der Fristenregelung auf, den Abstimmungskampf auf der Basis von Fakten und des toleranten Meinungsaustausches zu führen. Wir respektieren ihre moralischen Überzeugungen, doch wir wehren uns dagegen, dass diese missbräuchlich als wissenschaftliche Fakten verkauft und andern Menschen aufgezwungen werden sollen.

Wir rufen die Stimmberechtigten auf, sich durch die Halb- und Unwahrheiten in der gegnerischen Propaganda nicht verunsichern zu lassen und am 2. Juni ein JA zur Fristenregelung sowie ein NEIN zur extremen Abtreibungs-Verbotsinitiative in die Urne zu legen. Bei der bevorstehenden Abstimmung geht es um Toleranz und um die Entscheidungsfreiheit in einer höchst persönlichen Frage. 

Für das Komitee „Expertinnen und Experten für die Fristenregelung"
Die Co-PräsidentInnen:

Peter Albrecht, Prof. Dr. iur, Strafgerichtspräsident, Basel
Tedy Hubschmid, Dr. med., Präsident SGP (Schweiz. Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie), Bern
Alex Mauron, Prof. für Bioethik, Universität Genf
Denis Müller, Prof. Dr. theol., Universität Lausanne
Gabriela Müller Lother, Präsidentin VSSB (Verband für Schwangerschafts- und Sexualberatung), Luzern
Nicolette Nicole, Familienplanungsberaterin, Vorstandsmitglied PLANeS (Schweiz. Vereinigung für sexuelle und reproduktive Gesundheit), Lausanne
Judit Pòk Lundquist, Dr. med., leitende Ärztin der Frauenpoliklinik, Universitätsspital Zürich
Christian-Nils Robert, Prof. Dr. iur., Universität Genf

April 2002


Resolution der Präsidentinnen der Schweizer Frauenorganisationen

Unakzeptable, verletzende Kampagne der Fristenregelungs-Gegner

Mit Abscheu haben die am 29. August 2001 in Bern an ihrem jährlichen Arbeitstreffen versammelten Präsidentinnen der Frauenorganisationen der Schweiz die aggressive Plakatwerbung extremer Gegner der Fristenregelung zur Kenntnis genommen.

Unabhängig davon, wie die Fristenregelung beurteilt wird, ist der demagogische Stil dieser Kampagne unakzeptabel. Er zeugt von Frauenverachtung und ist zutiefst verletzend für alle Frauen, die sich in einer Notlage befinden und sich zum Abbruch einer Schwangerschaft entscheiden. Den Frauen wird von der "Schweizerischen Hilfe für Mutter und Kind" unterschoben, sie würden sich leichtfertig und noch bei weit fortgeschrittener Schwangerschaft zu diesem Schritt entschliessen, sobald die Fristenregelung in Kraft treten würde.

Die Präsidentinnen der Frauenorganisationen protestieren gegen die irreführende Hetzkampagne. Sie sind überzeugt und wissen aus Erfahrung, dass auch bei einer Fristenregelung keine Frau eine Schwangerschaft ohne gewichtige Gründe abbrechen wird. Sie rufen zur Versachlichung der Diskussion auf.

Annemarie Will-Kohler, Schweiz. Landfrauenverband
Verena Bürgi-Burri und Margrit Schnyder-Schelbert, Schweiz. Katholischer Frauenbund
Jessica Kehl-Lauff und Erika Bopp, Schweiz. Verband für Frauenrechte
Sibylle Burger-Bono, alliance F
Ursula Angst-Vonwiller und Ria van Beek, Evang. Frauenbund der Schweiz
Regula Ernst, ARGEF 2001
Erna Aeberhard, Schweiz. Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Frauen
Yvonne Gendre und Colomba Boggini, Espace Femmes Fribourg
Ursula Häberlin, GBI-Frauen Schweiz
Anna Hausheer, Schweiz. Arbeitsgemeinschaft alleinerziehender Mütter und Väter
Jenny Heeb und Annemarie Marti-Strasser, Frauen für den Frieden Schweiz
Natalie Imboden, VPOD-Frauen
Agnes Leu, Frauenkirchen-Synode Schweiz
Christine Michel, Verein Feministische Wissenschaft
Brigit Pedolin, Business and Professional Women BPW
Anne-Marie Rey, Schweiz. Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs

 

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