Letzte Aktualisierung:
Nicola
Zunächst möchte ich allen Mitwirkenden dieser Seite danken. Es hat mir
sehr geholfen, sachliche Informationen zu erhalten, und auch die
Erlebnisse anderer betroffener Frauen zu lesen, denn die Tabuisierung des
Themas schadet allen Frauen.
Die Vorgeschichte:
Als ich 19 war, wurde ich von meiner ersten großen Liebe schwanger, er
setzte mich brutal unter Druck, das Kind nicht zu bekommen. Ich wollte
auch kein Kind, aber, streng katholisch aufgewachsen, war ein Abbruch das
schlimmste für mich, und das letzte, was ich wollte. Sein Argument: ich
sei eine Egoistin, wenn ich das Kind ohne seine Einwilligung bekäme,
schließlich sei er zur Hälfte daran beteiligt. Als ich danach seelisch
völlig fertig war, ging ihm das auf die Nerven. Auf Druck meiner Eltern,
die von nichts wußten, willigte ich in eine Heirat ein, die ein einziger
Albtraum war, trotz Segen der Kirche, und als ich erneut schwanger wurde,
bekam mein Gatte wieder einen Tobsuchtsanfall. Mir war klar, nach alledem
will ich mit diesem gewalttätigen Mann nichts mehr zu tun haben. Ich litt
unsäglich, aber meine Entscheidung war fest, nichts hätte mich umstimmen
können. Als ich zwischenzeitlich in größter seelischer Verzweiflung einen
Pfarrer um Rat ersuchte, sagte mir dieser nur abweisend, er könne nichts
für mich tun, ich hätte ja gewusst, was ich tue, und sei damit
exkommuniziert. Ich hätte mich beinahe umgebracht. Da war ich 20.
Fatalerweise vertrage ich keine Pille und auch die Spirale wurde von
meinem Körper ausgestoßen. Zudem bin ich leider äußerst fruchtbar, was für
mich nie ein Grund zur Freude war.
Ich lernte einen anderen Mann kennen, obwohl ich nie wieder eine feste
Beziehung eingehen wollte.
Ich wurde schwanger, und ohne zu wissen, wie der Mann reagieren würde,
entschied ich mich, das Kind zu bekommen, obwohl alle um mich herum mich
als Flittchen und sonstwas beschimpften. Der Mann reagierte zu meiner
Überraschung jedoch hocherfreut und wir sind jetzt seit 17 Jahren ein
glückliches Paar. Durch die Schwangerschaft und den Zwang, Geld verdienen
zu müssen, brach ich mein Studium ab. Als mein Sohn drei Jahre alt war,
bewarb ich mich um ein neues Studium und musste feststellen, dass ich
wieder schwanger bin. Ich bekam das Kind und versuchte trotzdem, mein
Studium zu schaffen, aber Job, Haushalt und Studieren waren extremer
Stress, und so gab ich es auf. Ich habe meine Entscheidung für die Kinder
nie bereut, auch wenn ich viele Demütigungen einstecken musste, dass meine
Studienleistungen und mein Job immer unter meinem Niveau waren, viele
Frustrationen etc.
Jetzt bin ich 38, und nach 11 Jahren musste ich zu meinem Entsetzen
feststellen, dass die Verhütung versagt hat, ich fiel aus allen Wolken!
Ich spürte sofort, dass ich schwanger war, und das versetzte mich in
Panik. Nach der Geburt meines zweiten Kindes wollte ich auf Nummer sicher
gehen und mich sterilisieren lassen, aber da ich noch keine 30 war, wurde
mir das verwehrt. Ich habe gerade wieder begonnen zu studieren. Die Kinder
sind aus dem gröbsten heraus.
Ich bin nicht mehr jung, aber nicht so alt, dass ich nichts mehr aus
meinem Leben machen kann. Ich bin ehrenamtlich stark engagiert und
überzeugte Buddhistin. Auch der Buddhismus sieht klar einen negativen Akt
des Tötens in der Abtreibung, differenziert jedoch. Es ist ein gewaltiger
Unterschied, ob man einen Menschen aus Hass oder Habgier tötet, oder in
einem von Sorge, Verantwortung, Leid und Reue getragenen Prozeß eine
schwierige Entscheidung fällt. Mein asiatischer buddhistischer Lehrer
respektiert meinen Entschluss, auch wenn er ihn sicherlich nicht gutheißt,
und doch hat er mir seelisch ungeheuer beigestanden, sich liebevoll und
aufrichtig um mich gesorgt. Er hat während der OP am anderen Ende der Welt
für mich im Tempel eine Kerze angezündet, in voller Anerkennung meiner
Lage und meines Leids, das ja nicht getrennt ist vom allgegenwärtigen Leid
auf dieser Welt.
Wie alle wünschte ich, ich wäre nicht in diese Situation gekommen. Man
will eigentlich nur Gutes, wünscht allen Lebewesen Glück und steckt nun in
einem solchen Konflikt. Ich habe mich zweimal bewusst gegen mich
entschieden, weil ich mir die Kraft zugetraut habe, die Verantwortung zu
übernehmen. Wenn mein Mann gesagt hätte, dass er das dritte Kind gerne
möchte, hätte ich es bekommen. Aber auch er fühlt sich zu alt (52), und es
geht ihm wie mir: Der Gedanke, noch einmal alles von vorne zu beginnen,
zumal in unserer wackeligen finanziellen Situation, erschreckt uns. Aus
Erfahrung weiß ich genau, was das bedeutet, und alles in mir sträubt sich
dagegen.
Die Natur ist blind auf Fortpflanzung gerichtet und dabei selbst die
größte Kindsmörderin. Die einen leiden, weil sie keine Kinder bekommen
können, andere, weil ungewollte Schwangerschaft sie in Not stürzt. Als ich
den Verdacht hatte, wieder schwanger zu sein, habe ich eine furchtbare
Nacht mit Panikattacken durchwacht, bis ich mir morgens einen Test
besorgen konnte. Inmitten der Verzweiflung sagte mir in der Dämmerung eine
innere Stimme, dass, wenn es doch so furchtbar für mich sei, ich das Kind
nicht austragen müsse! Und das war wie ein Rettungsanker. Ich habe mich
schweren Herzens gegen die Schwangerschaft entschieden, und bin jetzt,
zwei Wochen nach dem Eingriff, traurig und breche immer wieder in Tränen
aus; aber wenn ich im Geist durchspiele, was das Austragen der
Schwangerschaft für mich bedeutet hätte, packt mich sofort das kalte
Grausen, weil ich es absolut nicht noch einmal will. Deshalb bin ich froh
und dankbar, dass ich in einem Land lebe, wo ich souverän entscheiden
kann. Mir ist zutiefst bewusst, was das für einen Fortschritt bedeutet!
Jede Frau kann nur allein entscheiden, denn sie muss die Konsequenzen der
Entscheidung tragen.
Es ist wichtig, dass es Beratungsmöglichkeiten gibt, wo Hilfen geboten
werden für die, die noch in ihrer Entscheidung schwanken, aber einen
Gebärzwang darf es niemals mehr geben. Ich habe mich mit einigen Freunden
besprochen und viel Unterstützung erfahren. Es ist ein Thema, das
schrecklich und leidvoll ist, so dass man es gerne vermeidet, – das
schadet jedoch den betroffenen Frauen, denn viele fühlen sich, als seien
sie allein betroffen. Sexualität ist kein so lockeres Thema, wie die
Medien vermitteln, sie ist immer noch stark mit Scham und Beklemmung,
Illusionen und Projektionen verbunden. Von meinem Arzt und den Beratern
kann ich nur positives berichten, ich fühlte mich verstanden und gestützt
in einer Situation, wo man durch Schuldgefühle dazu neigt, den Respekt vor
sich selbst zu verlieren und deshalb besonders verletzlich ist.