RUNDSCHAU Nr. 60, Februar 2000
Inlandnachrichten
UNO verurteilt Abtreibungsverbote
Auslandnachrichten

Scharfe Kritik an der Initiative "Für Mutter und Kind"
Nein zur Intoleranz !

Die SVSS kritisiert aufs Schärfste den irreführenden Titel der Initiative "Für Mutter und Kind" und lehnt den extremen Vorstoss entschieden ab. Sie fordert das Eidgenössische Parlament auf, ungeachtet dieser verfehlten Initiative ohne weitere Verzögerungen die Fristenregelung, die vom Nationalrat bereits gutgeheissen wurde, zu verabschieden.

Am 19. November 1999 wurde die Volksinitiative "Für Mutter und Kind" mit 105’000 Unterschriften eingereicht. Am 2. Juni 1998 ist sie lanciert worden. Grossmaulig verkündeten die Initiantinnen und Initianten damals, sie wollten innert vier Monaten 120-180’000 Unterschriften zusammenbringen. Trotz tatkräftiger Unterstützung durch einzelne katholische Kirchgemeinden, mussten sie aber die ganze zur Verfügung stehende Frist von 18 Monaten ausnutzen. Offenbar war es doch recht harzig, genügend Stimmberechtigte hinter dieses Volksbegehren zu scharen.

Kein Gegenvorschlag !

Die Initiative sei ein "Gegenvorschlag" zur Fristenregelung, die vor dem Parlament liegt, erklärten die Initiant/innen. Unter Gegenvorschlag versteht man im Allgemeinen eine Kompromisslösung, die einem als teilweise berechtigt, aber zu weit gehend empfundenen Volksbegehren gegenübergestellt wird.

Hier geht es um das Gegenteil: Dem eingehend diskutierten und durch ein breites Vernehmlassungsverfahren abgestützten Kompromiss der Fristenregelung wird ein absolut extremes Volksbegehren nachgeschoben, dessen wahres Ziel ein Totalverbot des Schwangerschaftsabbruchs sowie die Kriminalisierung und Bestrafung aller Beteiligten ist.

Weder neu noch innovativ

"Neu und innovativ" sei ihre Initiative, verkündeten die Initiant/innen. Neu ist nur ihr Extremismus. Es handelt sich um eine Neuauflage, in noch extremerer Form, der Initiative "für das Recht auf Leben", die 1985 von 70 Prozent der Stimmenden zurückgewiesen wurde: Im Gegensatz zum damaligen Volksbegehren umschreibt die neue Initiative das totale Abtreibungsverbot konkret und lässt keinen Spielraum für weichere Interpretationen. Die Annahme dieser Initiative würde uns um 100 Jahre zurückwerfen.

Irreführend

Mit der Forderung, Müttern in einer Notlage sei die erforderliche Hilfe zu gewähren, wird der Initiative ein ansprechendes Deckmäntelchen übergestülpt. Dieser Teil der Initiative entpuppt sich aber als Schaumschlägerei: Er bringt nichts Neues. In Artikel 12 der neuen Bundesverfassung ist nämlich bereits ein Grundrecht auf Hilfe in Notlagen verankert. Jede notleidende Mutter kann sich an die Sozialdienste ihrer Gemeinde wenden und hat Anspruch auf Unterstützung. Ferner haben die Kantone aufgrund eines Bundesgesetzes aus dem Jahr 1981 längst Beratungsstellen eingerichtet, wo schwangere Frauen unentgeltlich Beratung und Hilfe beanspruchen können.

Almosen statt Sozialhilfe?

Die Initianten gehen davon aus, dass sich von den jährlich etwa 12’000 Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen, 3000 in einer materiellen Notlage befinden. Diesen wollen sie mit je 6’600 Franken (550 Franken pro Monat während eines Jahres) helfen. Die Gesamtsumme von 20 Mio. Franken soll auf privater Basis gesammelt werden. Weshalb es für dieses Vorhaben eine kostspielige Volksinitiative braucht, bleibt allerdings schleierhaft. Eine grosszügige Spende an eines der bestehenden Hilfswerke für die Hilfe an Mütter im In- oder Ausland wäre effizienter gewesen. Immerhin kostete allein schon die Unterschriftensammlung mehr als eine Million.

Ebenso bleibt die Frage unbeantwortet, wie es nach dem ersten Lebensjahr des Kindes weitergehen soll. Die grossen finanziellen Probleme kommen später. Wenn eine Frau jahrelang an der Armutsgrenze leben muss, ist das eine grosse Belastung. Die direkten Kinderkosten belaufen sich gemäss einer kürzlich im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherung erstellten Studie bis zur Volljährigkeit des Kindes auf 340’000 Franken.

Dominik Müggler vom Initiativkomitee will den notleidenden Müttern den "Gang zur Fürsorge" ersparen (Schweizerzeit, 30.4.99). An dessen Stelle soll offenbar der Bittgang um ein Almosen bei privaten Hilfsstellen treten … Wenn das Kind ein Jahr alt ist, darf dann die Fürsorge ohnehin übernehmen.

Ein weiteres Problem sind die fehlenden Infrastrukturen, die alleinstehenden und/ oder erwerbstätigen Müttern ein Leben mit dem Kind vereinfachen würden (Krippen, Tagesschulen, Ferienbetreuung etc.). Davon ist in der Initiative nichts zu lesen.

Nicht-materielle Notlagen

Schliesslich wollen die Initiant/innen nicht zur Kenntnis nehmen, dass es viele Notlagen gibt, die eine Frau zum Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft bewegen und die nicht mit finanzieller Unterstützung behoben werden können: eine nicht tragfähige Partner-Beziehung; Ausbildungs-, Berufs- oder Lebenspläne, die sich nicht mit einem Kind (im jetzigen Zeitpunkt) vereinbaren lassen; eine psychische Überlastung usw.

Jede Frau, die sich zum Schwangerschaftsabbruch entschliesst, befindet sich nach ihrem subjektiven Empfinden in einer Notlage. Wer, wenn nicht die betroffene Frau selbst sollte befugt sein zu entscheiden, wieviel Not und Selbstaufgabe ihr zuzumuten ist?

Extreme Forderungen

Nur bei akuter, körperlich begründeter Lebensgefahr soll gemäss Initiative ein Schwangerschaftsabbruch legal noch möglich sein. Diese Fälle sind heute äusserst selten. Kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch sollen sein:

  • Selbstmordgefahr
  • Gefährdung der Gesundheit
  • Vergewaltigung
  • Schwere Missbildung des Fötus

Es stimmt nicht, wie das Komitee behauptet, dass bei einer Schwangerschaft "keine bleibenden gesundheitlichen Schäden mehr vorkommen": Malaria, Tuberkulose, Krebs können nicht behandelt werden ohne die Frucht zu schädigen. Herz- und Kreislaufbeschwerden, schwere Rückenleiden oder schlimme Krampfadern usw. können sich verschlimmern.

Es trifft zwar zu, dass nur ein kleiner Teil der Schwangerschaftsabbrüche erfolgt, weil die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung entstand. Aber das Verbot eines Abbruchs in einem solchen Fall – wobei die Frau dann gnädigst bereits den Embryo zur Adoption freigeben darf – zeigt den fanatischen Extremismus dieser Initiative mit aller Deutlichkeit auf.

Kein einziges Land Europas und der westlichen Welt, nicht einmal Irland, kennt ein derart rigoroses Abtreibungsverbot.

Was heisst "Druck ausüben"?

Neu sollen zudem auch jene strafbar werden, die in irgend einer Weise "Druck" auf eine Frau ausüben. Würde sich demnach ein Mann strafbar machen, wenn er seiner Partnerin gesteht, er möchte im jetzigen Moment nicht Vater werden? Oder eine Mutter, die ihrer schwangeren Tochter zu verstehen gibt, dass sie nicht bereit ist, ihren Job aufzugeben um ein zukünftiges Grosskind zu betreuen? Oder ein Arzt, der der Frau erklärt, eine Schwangerschaft und Geburt könnte ihre Gesundheit verschlechtern? Oder eine Sozialarbeiterin, die ihr die Schwierigkeiten, die eine alleinerziehende Mutter erwarten, nicht verschweigt?

Tödliche Auswirkungen

Durch die Rechtsforschung ist erwiesen, dass Verbote noch nie und in keinem Land Abtreibungen zu verhindern vermochten. Sie haben bloss Frauen, die es sich leisten konnten, zu unwürdigen Wanderschaften gezwungen, andere in die Illegalität und in die Hände von Pfuschern getrieben.

Zwei Länder haben vordemonstriert, was passiert, wenn Abtreibungsgesetze massiv verschärft werden: Rumänien 1966-1989 und Polen seit 1993. In beiden Ländern kam es in der Folge zu Todesfällen infolge illegaler Abtreibung, zu Kindstötungen und Kindsaussetzungen, um nur die krassesten Auswirkungen zu nennen. In Rumänien hat der Diktator Ceaucescu 1966 das liberale Abtreibungsgesetz radikal verschärft. Die Todesfälle infolge Abtreibung stiegen von 83 im Jahr 1966 auf 545 im Jahr 1989 an.

Die Erfahrungen der ganzen Welt zeigen, dass nicht Strafparagraphen, sondern nur eine Politik der Prävention auf dem Gebiet der Schwangerschaftsverhütung und der Sexualerziehung die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche reduzieren können.

Die Schwangerschaftsverhütung ist in der Schweiz bereits gut verankert. Trotz einer zunehmend liberalen Praxis ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche im internationalen Vergleich entsprechend niedrig. Die Intensivierung der Präventionspolitik wäre in einem Klima der rigorosen Repression und Tabuisierung des Schwangerschaftsabbruchs kaum möglich. Die Initiative "Für Mutter und Kind" würde daher die Prävention behindern.

Verhütung verbieten?

Nach Auffassung der Initianten ist der Embryo ein vollwertiger Mensch von der Befruchtung an. Aufgrund dieser Ideologie müsste die Annahme der Initiative logischerweise sogar zu einem Verbot diverser Verhütungsmethoden führen, die vorwiegend oder nebenbei die Einnistung eines bereits befruchteten Eis in die Gebärmutter verhindern (Spirale, diverse Pillensorten, "Pille für den Morgen danach"). Würden sich Spiralenträgerinnen oder Ärztinnen, die solche Mittel verschreiben, der "Tötung eines ungeborenen Kindes" schuldig machen?

Fehlgeburt als "Tötung"?

Der Initiativtext spricht nicht mehr von "Abtreibung der Frucht", wie das geltende Strafgesetz, sondern von "Tötung des ungeborenen Kindes". Heisst das, dass in Zukunft auch die "fahrlässige" Abtreibung strafbar werden soll? – ein Tatbestand, den es heute nicht gibt.

Bei jeder Fehlgeburt müsste die Ursache gerichtsmedizinisch abgeklärt werden: Bei Risikosport oder ungesunder Lebensweise oder bei einem selbstverschuldeten Unfall könnte die Frau wegen fahrlässiger Tötung verurteilt werden.

Für eine vernünftige Fristenregelung

Per Gesetz möchten die Initiant/innen ihre fundamentalistische Ideologie allen andern aufzwingen. Diese Anmassung ist zurückzuweisen. Der Gedanke eines staatlichen Gebärzwangs – nichts anderes bezweckt ein Totalverbot der Abtreibung – ist absolut unerträglich und unethisch.

Seit bald 7 Jahren liegt vor dem Parlament der Entwurf für eine Fristenregelung, wie sie die grosse Mehrzahl der Länder Europas längst kennt. Sie ist ein vernünftiger Kompromiss, der die Schutzwürdigkeit vorgeburtlichen Lebens anerkennt und doch den eigenverantwortlichen Gewissensentscheid der Frau in den ersten Monaten der Schwangerschaft respektiert.


SCHWEIZ

Mifegyne (RU 486) definitiv erhältlich

Gegen den Zulassungsentscheid der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) vom 14. Juni 1999 wurde von zwei Organisationen der Abtreibungsgegner Beschwerde erhoben. Sie vermochten die Markteinführung von Mifegyne allerdings nur gerade um einen Monat zu verzögern. Der Vorstand der Interkantonalen Vereinigung für die Kontrolle der Heilmittel, die Aufsichtsbehörde der IKS, hat die Beschwerden abgelehnt. Eine der beiden Organisationen hat die Beschwerde ans Bundesgericht weitergezogen. Das Bundesgericht hat dem Rekurs keine aufschiebende Wirkung zugestanden und am 2. Februar die Beschwerde abgelehnt.

Die meisten Spitäler, die auch Schwangerschaftsabbrüche machen, haben seit Ende Oktober begonnen, Mifegyne als Alternative zum operativen Eingriff anzubieten, wenn sich Frauen frühzeitig genug melden. Ebenso bieten einzelne Arztpraxen, die bisher chirurgische Abbrüche durchführten, die Alternative an.

Bis Ende Januar sind 900 Packungen Mifegyne ausgeliefert worden, was mehr als einem Viertel aller Schwangerschaftsabbrüche entspricht. Die Erfahrungen sind den Erwartungen entsprechend gut.

Aargau: Kirchenrat für Fristenregelung

In einem Bericht an die Synode und in Beantwortung eines Postulates konservativer Synodalräte stellt sich der Kirchenrat der reformierten Kirche des Kantons Aargau hinter die Fristenregelung, wie sie auch der Vorstand des Schweiz. Evangelischen Kirchenbundes unterstützt. Der Kirchenrat "vertritt insbesondere die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs, weil Strafgesetzbestimmungen der komplexen Problematik nicht gerecht werden können. Entscheidungen, die so weitgehend in das Schicksal der Betreffenden eingreifen, können nicht in jedem Fall von einer in der Regel nicht betroffenen Mehrheit vorgeschrieben werden."

Mit 92 zu 38 Stimmen hat die Synode Ende November 1999 zustimmend von diesem Bericht Kenntnis genommen.

Fristenregelung im Ständerat

Nachdem die Wahlen vorbei sind, ist zu erwarten, dass die Rechtskommission des neu gewählten Ständerates demnächst die Behandlung der Fristenregelung an die Hand nehmen wird. Der Ausgang der Ständeratswahlen kann für unser Anliegen als recht positiv beurteilt werden. Der Vorstand der SVSS ist optimistisch, dass die Fristenregelung im Parlament mehrheitsfähig ist. Je nachdem wieviel Zeit die Beratung in der Ständerats-Kommission beansprucht, kann es allerdings bis zum definitiven Beschluss noch eine Weile dauern.

Sterilisation verweigert

"Seit 10 Jahren bin ich mir absolut sicher, dass ich keine Kinder will", sagt die 30-jährige Frau am Telefon. "Aber meine Ärztin hat gesagt, so junge Frauen dürfe man nicht unterbinden. Jetzt bin ich ungewollt schwanger, obwohl wir immer mit Kondom und Zäpfchen verhütet haben". – Kein schweizerisches Gesetz verbietet Unterbindungen bei jungen Frauen oder Männern. Leider zahlt aber die Krankenkasse immer noch nicht für den Eingriff. Etliche Schwangerschaftsabbrüche könnten vermieden werden, wenn sich dies ändern und der Wille der Betroffenen respektiert würde.


UNO

Selbstbestimmung soll Leben retten

In einer gemeinsamen Erklärung haben am 28. Oktober 1999 vier UNO-Organisationen, der Bevölkerungsfonds, UNICEF, die Weltgesundheitsorganisation und die Weltbank darauf hingewiesen, dass in gewissen Entwicklungsländern eine von 10 Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschaft oder Geburt stirbt. Zu den fünf wichtigsten Ursachen zählen illegale Abtreibungen. In einigen Gegenden ist ein Drittel der Müttersterblichkeit dieser Ursache zuzuschreiben. Um die Mutterschaft sicherer zu machen, fordern die vier Organisationen die Regierungen auf, der Respektierung der Menschenrechte höhere Priorität einzuräumen und dafür zu sorgen, dass Frauen über echte Wahlmöglichkeiten verfügen, um ihr reproduktives Leben selbst zu bestimmen.


UNO-Kommission für Menschenrechte und CEDAW :
Abtreibungsverbot verletzt Menschenrechte

Ein totales Abtreibungsverbot, wie es die Initiative "Für Mutter und Kind" fordert, verletzt grundlegende Menschenrechte, die durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention sowie mehrere internationale Übereinkommen geschützt sind: Das Abtreibungsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff in die Freiheit und das Privatleben. Es verletzt das Recht auf Leben und Gesundheit und auf Sicherheit. U. E. bedeutet der Gebärzwang – sogar bei Gefährdung der körperlichen und psychischen Gesundheit – auch eine Verletzung des Verbots der Leibeigenschaft.

Die UNO-Kommission für Menschenrechte rügte denn auch an ihrer Sitzung vom 29.7.1999 in Genf das restriktive Abtreibungsgesetz Polens, das zu einer hohen Zahl von illegalen Abtreibungen führe, mit entsprechenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Frauen. [Dieses Gesetz ist wesentlich weniger scharf als die Initiative "Für Mutter und Kind": Es erlaubt einen Schwangerschaftsabbruch aus gesundheitlichen Gründen oder bei Missbildung des Fötus und Vergewaltigung. Anm.d.R.].

Bereits an ihrer Sitzung im Frühjahr 1999 hatte die Kommission mit der gleichen Begründung die rigorosen Abtreibungsverbote in Chile und Costa Rica kritisiert und die beiden Länder aufgefordert, ihre Gesetze zu revidieren, um Ausnahmen vom Verbot zuzulassen.

Die UNO-Kommission gegen die Diskriminierung der Frau (CEDAW) zeigte sich an ihrer Sitzung vom Januar/Februar 1999 ihrerseits besorgt über die hohe Zahl von illegalen Abtreibungen und die daraus resultierenden Todesfälle in Kolumbien. Sie kritisierte, dass Frauen, die eine illegale Abtreibung machen lassen und Ärzte, die sie durchführen, bestraft werden. Das Abtreibungsverbot bedeute eine Diskriminierung der Frauen und eine Verletzung ihres Rechts auf Leben und auf Gesundheit sowie von Artikel 12 der Frauenkonvention. Die Kommission forderte die kolumbianische Regierung auf, das Abtreibungsgesetz unverzüglich zu revidieren.

In einer Empfehlung zur Interpretation von Artikel 12 der Frauenkonvention (betr. Gesundheit) hat die CEDAW festgehalten, es sei eine Diskriminierung der Frau, "bestimmte medizinische Eingriffe", die nur von Frauen beansprucht werden, zu kriminalisieren. Wenn möglich sollten Strafbestimmungen für Frauen, die abgetrieben haben, aus den Gesetzen gestrichen werden.


AUSLAND

DEUTSCHLAND
Kompromiss gescheitert

Nach deutschem Gesetz müssen Frauen sich vor einem Schwangerschaftsabbruch obligatorisch bei einer staatlich anerkannten Beratungsstelle beraten lassen – so wie es die CVP auch für die Schweiz wünscht. Im November 1999 hat nun der Papst den deutschen Bischöfen definitiv verboten, durch katholische Beratungsstellen die Bescheinigung über eine durchgeführte Schwangerschaftskonfliktberatung ausstellen zu lassen. Die Kirche dürfe sich nicht an Abtreibungen beteiligen. Ohne den Beratungsschein ist ein Abbruch aber legal nicht möglich. Die meisten Bundesländer sind unter diesen Umständen nicht mehr bereit, die katholischen Beratungsstellen zu subventionieren. Der Sozialdienst katholischer Frauen sucht nun Wege, die staatlich anerkannte Konfliktberatung fortzuführen, allenfalls ohne kirchliche Finanzierung.

Ironischerweise ist die Pflichtberatung 1995 auf Drängen der katholischen Kirche und der christlichen Parteien ins deutsche Fristenlösungsgesetz gekommen. Jetzt möchten gewisse kirchliche Kreise das Gesetz so ändern, dass die Beratungsbescheinigung durch eine blosse Erklärung der Schwangeren gegenüber dem Arzt ersetzt wird.

Jede Gesetzesänderung könnte aber eine Liberalisierung in Richtung einer reinen Fristenlösung bedeuten. Die Mehrheit des Bundestags neigt ohnehin in diese Richtung, und das Bundesverfassungsgericht ist heute liberaler zusammengesetzt als vor einigen Jahren. Es könnte durchaus eine Liberalisierung herauskommen.

Die Eiertänze in Deutschland zeigen mit aller Deutlichkeit, dass über das "Beratungsmodell" ein Konsens nicht zu erreichen ist. Alibi-Kompromisse zahlen sich nicht aus. Es gibt nur zwei eindeutige Regelungen: Ein völlig unrealistisches Abtreibungsverbot oder die Fristenlösung.

USA
Im Vorfeld der Wahlen

Angesichts wiederholter Versuche im US-Parlament, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einzuschränken, haben zwei Mitglieder des Senats diesen mit einem Resolutionsentwurf zu einer klaren Stellungnahme herausgefordert.

Zum ersten Mal seit 1983 hatte der Senat Gelegenheit, sich grundsätzlich zum Urteil des Obersten Gerichts von 1973 zu äussern. Dieses Urteil gab Frauen das Recht, selbst über einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden. Am 22. Okt. 1999 hiess der Senat die Resolution, die erklärt, der Gerichtsentscheid von 1973 sei richtig und solle nicht umgestossen werden, mit 51 zu 47 Stimmen gut.

Die Frauenrechtsorganisation National Abortion Rights Action League nimmt den knappen Ausgang der Abstimmung zum Anlass, die Amerikanerinnen im Hinblick auf die diesjährigen Wahlen wach zu rütteln. Der nächste Präsident der USA wird vermutlich die Möglichkeit haben, drei neue Richter für das Oberste Gericht zu ernennen. Die Präsidentenwahl vom kommenden November wird daher von ausschlaggebener Bedeutung sein.

Im Hinblick auf die Wahlen rücken die Republikaner von prononciert rechtskonservativen Positionen ab. Ein grosser Teil des Parteiestablishments scheint erkannt zu haben, dass diese nicht mehrheitsfähig sind. Einen Wahlsieg der Demokraten fürchten sie mehr als die Enttäuschung der christlichen Fundamentalisten. Die katholische Bischofskonferenz hat die Abtreibungsfrage bereits zu ihrem wichtigsten Wahlkampfthema erklärt.


FRANKREICH / ÖSTERREICH
25 Jahre Fristenlösung

Österreich und Frankreich blicken auf 25 Jahre Erfahrung mit der Fristenlösung zurück. Frankreichs Sozialisten fordern Verlängerung der Frist.

Per 1. Januar 1975 ist in Österreich die Fristenlösung in Kraft getreten. Frauenministerin Barbara Prammer zog eine positive Bilanz. Die Fristenlösung ist heute bei Ärzteschaft und Bevölkerung breit akzeptiert. Selbst die "Aktion Leben" hat sich damit abgefunden. Sie will "keine Grabenkämpfe weiterführen" und strebt keine Verschärfung des Strafrechts an. Sie will sich vielmehr auf Hilfe an Schwangere in Notlagen konzentrieren. Schön wär’s, wenn sich schweizerische Abtreibungsgegner daran ein Beispiel nehmen würden.

Am Freitag, 29. November 1974, um vier Uhr morgens stimmte die Nationalversammlung Frankreichs der Fristenregelung zu. Anfang 1975 ist sie in Kraft getreten. "Le Monde" zieht Bilanz: Entgegen den Vorhersagen hatte das Gesetz keine Auswirkungen auf die Geburtenrate. Es hat vielmehr den illegalen Abtreibungen, den Infektionen und den Todesfällen ein Ende gesetzt. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche hat nicht zugenommen, sondern ist von geschätzten 250’000 im Jahr 1976 auf 220’000 zwanzig Jahre später zurückgegangen, bei wachsender Bevölkerung. Die durchschnittliche Zahl pro Frau ist gar um 22 Prozent gesunken.

Der Vorstand der regierenden Sozialistischen Partei verlangt jetzt eine Verlängerung der Frist von 12 auf 14 Wochen und den Verzicht auf die obligatorische Zustimmung der Eltern bei Minderjährigen. Um die Zahl der Abbrüche an Jugendlichen zu senken, hat Schulministerin Ségolène Royal die Schulkrankenschwestern ermächtigt, die "Pille danach" an Schülerinnen abzugeben. Gleichzeitig startet sie eine Informationskampagne über Verhütung.


ITALIEN
Weniger Schwangerschaftsabbrüche

In Italien gilt seit 1978 eine Fristenlösung. Die Zahl der Abbrüche hat seit 1983 deutlich abgenommen. Eine wissenschaftliche Untersuchung zeigt auf, warum: Vor allem jüngere Frauen verwenden mehr und mehr sichere Verhütungmittel. Die Zahl der ungeplanten Schwangerschaften und Geburten hat in den 90er Jahren gegenüber 10 Jahren zuvor massiv abgenommen. Bei Frauen unter 30 Jahren hat sie sich halbiert.
(Planned and unplanned births and conceptions in Italy 1970-1995. Maria Castiglioni et al.)

Viel Staub aufgewirbelt hat in Italien im Dezember vergangenen Jahres der Fall eines 13-jährigen, geistig behinderten Mädchens, das unter nicht geklärten Umständen schwanger geworden war. Seine Familie und sein Vormund, ein Arzt, beantragten einen Schwangerschaftsabbruch. Presse und Kirche erhielten Wind von der Geschichte. Das Kind wurde in einer Pflegefamilie untergebracht. Die Kirche übte massiven Druck aus. Schliesslich entschied das Jugendgericht, der Abbruch dürfe nicht durchgeführt werden. Angeblich hatte das Mädchen dem Gericht geschrieben, es möchte das Kind bekommen. Der Anwalt der Familie des Mädchens bezweifelte allerdings, dass es selbst in der Lage war, einen solchen Brief zu schreiben. Auf dem Buckel des Mädchens habe die Kirche einen Kreuzzug durchgeführt.


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