Abtreibung - Schwangerschaftsabbruch: Für das Recht auf einen freien Entscheid


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Berichte von Frauen

Nackentransparenz

Sylvia
… Zwei Wochen bangen Wartens fingen an – zumal ich nicht genau wusste, wie mit dieser Zahl "NT -3,9" umzugehen. Also graste ich das Internet 2 Wochen lang ab und sammelte alles an Informationen, was zu finden war.
Ich war mit den Nerven völlig runter. Denn alle Statistiken mit dieser Nackentransparenz plus mein Alter sprachen gegen uns. Ich saß nur in einem Auf- und Ab von Heulen, Hoffnung und Internet da.
Tagelanges Nachdenken, ob es zu schaffen sei, ein Kind mit Down-Syndrom aufzuziehen. Was würde dadurch auch auf Pia zukommen?
Anfangs kam ein Schwangerschaftsabbruch irgendwie nicht in Frage. Aber nach und nach – Stück für Stück – änderte sich die Meinung.
Ich fühlte mich alle dem nicht (mehr) gewachsen. Denn wahrscheinlich war, sollte es ein Down-Syndrom sein, wäre es wohl nicht der einzige Defekt gewesen, sondern evtl. wäre noch ein Herzfehler oder weitere Behinderungen hinzu gekommen.
Nun kam der Tag der Fruchtwasseruntersuchung bei einer Spezialistin. Sie war gar nicht schmerzhaft. Weniger als Blut abnehmen. Die Ärztin meinte auch, es sei sehr früh für eine Fruchtwasserentnahme – sie würde es aber versuchen. Beim Ultraschall stellte sich heraus, dass das Baby etwas klein war und das Fruchtwasser weniger als der Durchschnitt. Trotzdem schaffte sie es, die entsprechende Menge Fruchtwasser zu entnehmen – ohne dass Komplikationen auftraten.
Wir machten dann auch gleich einen sogenannten FISH-Test. Bei diesem Schnelltest erhält man innerhalb von 48 Stunden zumindest das Ergebnis auf Trisomie-Defekte. Alle anderen Ergebnisse erhält man erst nach 2 – 3 Wochen, da die Zellkulturen so lange benötigen sich zu vermehren.
Das Ergebnis des FISH-Tests war dann tatsächlich Trisomie 21 = Down-Syndrom. Obwohl innerlich darauf vorbereitet, traf es mich wie ein Schlag. Nun war es endgültig. Die Wochen und Tage des Auf und Ab, der Hoffnung, der Hoffnungslosigkeit waren vorüber.
Nun kam der weitere schwere Schritt. Ein Schwangerschaftsabbruch. Und plötzlich stand ich im Lande der Bürokratie. Deutschland. Mein Frauenarzt kam extra aus dem Urlaub und führte ein Gespräch mit mir, was nun "zu tun sei". Er erklärte also, dass ich ja nun in der Schwangerschaft bei 14+3 stünde und somit kein chirurgischer Abbruch mehr möglich sei. Ich müsse somit ins Krankenhaus, bekäme Wehenmittel, Zäpfchen und unter Umständen eine PDA, damit ich keine Schmerzen hätte. Anschließend bekäme ich eine Vollnarkose und Ausschabung. Er meinte lapidar, dies sei in ein paar Stunden vorbei.
Heraus kam auch, dass ca. 95 % aller Schwangerschaften mit der Diagnose "Down-Syndrom" vorzeitig abgebrochen werden. Und "trotzdem" kommen ca. 1.000 – 1.200 Kinder pro Jahr mit dem Down-Syndrom zur Welt. Rechnet man also hoch, so kommt man doch auf eine Zahl von ca. 8.000 – 10.000 Schwangerschaften pro Jahr mit der Diagnose "Down-Syndrom". Aber wo sind all die anderen 8.000 Frauen, die das Gleiche durchmachen, die Schwangerschaft abbrechen und nicht darüber sprechen??
In mir sträubte sich jedenfalls alles, dass ich das alles mitbekommen und mitmachen sollte und dann noch eine Vollnarkose im Anschluss. Denn bei Pia öffnete sich der Muttermund in 20 Stunden lediglich 1 cm und es kam ja schließlich zum Not-Kaiserschnitt. Ich wollte das alles wirklich nicht so mit erleben. Nun war das Wochenende zum Nachdenken.
Also wieder ans Internet. Es stellte sich heraus, dass Frauen, die so ihre Fehlgeburten oder Abbrüche hatten oft Stunden bis Tage brauchten, bis das Kind da war (so in den Foren beschrieben).
Wie lange würde es dann wohl bei mir dauern, nach der Erfahrung mit Pia? Überall war zu lesen (auch bei Beratungs-Seiten etc.), man solle das Kind unbedingt nochmals anschauen, einen Namen geben (der wird ja in diesem frühen Stadium nirgendwo eingetragen) und sich verabschieden. Mich traf fast der Schlag. Es war schon schwer genug.
Wieso sollte ich das Kind unter Wehen zur Welt bringen, nur weil ich 3 Tage über dieser verflixten 14. Woche war??? Stundenlange Telefonate und email-Anfragen in deutschen Kliniken folgten. Es war nichts zu machen.
Schließlich wandte ich mich an Kliniken in der Schweiz und in Österreich – ich las, dass dort dieser Abbruch teilweise bis zur 16. Woche (Liste der Zeitfenster für SS-Abbrüche in Europa) gemacht wird (wenn eine sog. medizinische Indikation vorliegt, was bei mir ja der Fall war). Es war aber auch hier nichts zu machen.
Ein weiteres Telefonat mit meinem Frauenarzt folgte. Er meinte, ich solle mich doch mal mit dem Professor der Klinik hier vor Ort unterhalten wie alles von statten ginge und dann könnte man ja nochmals sprechen. Er vereinbarte einen Termin für mich und ich holte meine ganzen Berichte bei meinem Frauenarzt ab. In weiser Voraussicht kopierte ich diese alle. Das Gespräch dort war entsetzlich.
Der Professor meinte also auch, dass es nicht mehr ginge, dass man einen chirurgischen Eingriff mache. Das sei viel zu spät und zu gefährlich. Keine Klinik in Europa würde so ein Risiko eingehen. (Anmerk.: Wie sich bei meiner Nachuntersuchung herausgestellt hat, waren diese Auskünfte unwahr. Sogar in meinem Ort gibt es eine Klinik, die dies durchführt. Davon erfuhr ich aber erst Wochen später – siehe Alternativen.) Er wolle ja nicht, dass ich dann ohne Gebärmutter aus der Narkose aufwache. Ich würde ihn hier richtiggehend in eine Zwangslage bringen. Aber wenn ich es unbedingt so wolle, würde er nun vorschlagen, dass man es erst einmal mit Zäpfchen und Wehenmittel 24 Stunden lang probiere. Wenn dann nichts ginge, könne man ja den Gebärmutterhals aufschneiden, um einen größeren Kanal zu bekommen. Den Muttermund könne man bei mir mechanisch nicht so weit öffnen, denn ich hätte ja schon einmal einen Kaiserschnitt gehabt, da sei die Gefahr, dass die ganze Gebärmutter aufreisse.
In welcher Verfassung ich die Klinik verlassen habe, kann man sich ja wohl vorstellen… Ich war am Ende.
Zuvor musste ich noch 1 Stunde zwischen Müttern mit dicken Bäuchen vor dem Kreißsaal auf mein Gespräch warten. Ich war kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
Dann kam ein Anruf aus einer Klinik in Österreich. Sie sagten, sie führten Abbrüche auch über die 14. Woche hinaus chirurg. durch. Es käme aber immer auf die Größe des Kindes an. Sie hätten aber erst in einer Woche einen Termin frei und das Risiko sei zu groß, dass sie mich wieder wegschicken müssten, weil bis dahin die Schwangerschaft doch zu weit fortgeschritten sei. Sie empfahl mir eine Klinik in Holland.
HOLLAND???? Holland hatte für mich immer so ein "G’schmäckle" – sprich schlechten Ruf – so sagt man bei uns im Schwäbischen. Von wegen Hinterhof-Pfuscher usw. Nein, sie empfahl mir die Klinik wärmstens, die seien super professionell, alle sprächen Deutsch und sie wären unkompliziert.
Also setzte ich mich mit dem Gedanken auseinander. Und wieder ans Internet. Es war erstaunlich, wie viele gute Kliniken es in Holland gab. Diese sind öffentlich, Stiftungen oder in Verbänden. Die empfohlene Klinik machte einen sehr guten Eindruck. Sie wurde mir dann noch von einer weiteren Seite aus empfohlen. Abbrüche werden dort ambulant!!! unter Vollnarkose durchgeführt. Sie schrieben, man könne dort Abbrüche bis zur 18. Woche ambulant durchführen und nach 6 – 8 Stunden die Klinik wieder verlassen. Wie konnte das sein, wo doch in Deutschland die Gefahr des Gebärmutterrisses und -verlustes war???
Ich rief dort in der Klinik an. Sie machten am Telefon einen sehr guten und professionellen Eindruck. Es gab auch eine Broschüre. Voraussetzung war, dass ein Beratungsgespräch mit einem Arzt mindestens 5 Tage vor dem Abbruch stattgefunden hat bzw. man benötigte eine Überweisung vom Frauenarzt. Eine Überweisung???? Im Leben bekäme ich die nie von meinem Arzt.
In meinem Falle reichte den Holländern jedoch völlig der medizinische Bericht des FISH-Tests aus, der mit Datum versehen war. Den hatte ich ja glücklicherweise kopiert!!!! Und da war es gar kein Thema mehr. Ich habe mich also angemeldet und bin dort hin.
Bei Ankunft war ich erstaunt. Hochmodern und super freundlich. Es gab Voruntersuchungen, Gespräche mit einer Psychologin, die Krankenschwestern waren rührend und kümmerten sich wirklich sehr persönlich um einen. Alle schüttelten mit dem Kopf, als sie meine Geschichte hörten und meinten nur, wie die Deutschen doch nur denken und handeln könnten. Das sei unverantwortlich mir so etwas zu erzählen. Sie haben 1500 Abbrüche in ihrer Klinik im Jahr!!!!!! Viele Frauen hatten schon einen Kaiserschnitt und einen Abbruch. Und noch NIE hätten sie so einen Fall gehabt, geschweige denn davon gehört… Alles lief wie beschrieben.
Während der Zeit im Wartezimmer hörte ich immer wieder Telefonanrufe von deutschen Frauen, die sich anmeldeten. Alle waren in der 16. Woche oder kurz darüber. Alle wollten den gleichen Schritt wie ich. Und hatten wohl die gleiche Erfahrung wie ich hinter sich. Naja, früher ist ja nicht möglich Schritte einzuleiten, wenn man eine Fruchtwasseruntersuchung macht. Die eine Krankenschwester sagte zu mir, ich sei bereits die 3. Deutsche an diesem Tag in der Klinik mit dem gleichen Befund. Ist es nicht unglaublich???
Körperliche Schmerzen hatte ich keine. Alles lief bestens. Nur die seelischen Schmerzen sind fast nicht zu ertragen. Daher habe ich mich entschieden hier in Deutschland eine psychologische Betreuung in Anspruch zu nehmen. Wie lange diese dauern wird, weiss ich nicht. Ich werde wohl einige Zeit brauchen, bis ich diese schrecklichen Wochen verarbeitet habe. Naja, das waren meine/unsere letzten Wochen.
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Abtreibungsgegner