Abtreibung - Schwangerschaftsabbruch: Für das Recht auf einen freien Entscheid


Argumentarium gegen die Initiative
Nein zur Initiative - Nein zum Rückschritt (auf facebook)
14. November 2012:
Nationaler Verein "Nein zum Angriff auf die Fristenregelung" gegründet

Kurzfilm "Requiem pour un droit" (französisch)
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Erfahrungsberichte von Frauen

Ich fühle mich befreit

Solange
Ich habe letzten Donnerstag erfahren, dass ich ungewollt schwanger bin. Ich wurde mit starken Unterleibsschmerzen ins Krankenhaus gebracht. Zuerst bekam ich die Nachricht von der Schwangerschaft und dann noch, dass eine über 5 cm große Zyste in meinem Unterleib geplatzt ist. Für mich brach in diesem Moment eine Welt zusammen.
Ich wurde quasi im Schlaf ungewollt schwanger. Der Mann drang einfach so in mich ein, obwohl ich schlief. Aber das weiss hier kein Mensch. Im Krankenhaus habe ich gesagt, dass wir mit Kondom verhütet haben und dass es wohl irgendwie geplatzt sein muss. Da es ein evangelisches Krankenhaus ist, wurde ich entsprechend bearbeitet, ich soll doch das Kind behalten und die Muttergefühle würden immer von alleine kommen. Prinzipiell waren sie alle nett, aber sie gaben mir schon das Gefühl, dass es ein großer Fehler wäre abzutreiben. Ich habe viel darüber nachgedacht und hier die ganzen Berichte durchgelesen. – Von den Webseiten der Abtreibungsgegner möchte ich gar nicht reden, in denen man als Mörderin hingestellt wird. Ich finde es höchst anmaßend, solche Dinge zu veröffentlichen, wenn man selbst nie in so einer Situation war!
Ich habe mich nun endgültig dazu entschieden, den Abbruch vorzunehmen. Ich werde morgen zu meinem Frauenarzt gehen und nachher einen Termin bei Pro Familia vereinbaren. Ich bin zwar schon 29, bin dem ganzen aber einfach nicht gewachsen. Ich möchte vielleicht schon einmal Kinder, aber dann unter anderen Umständen. Ich möchte finanziell abgesichert sein, ich möchte einen Partner haben, der mich unterstützt und ich möchte selbst bestimmen, von wem ich ein Kind bekomme. Ich möchte nicht mein Leben lang mit diesem Mann konfrontiert werden. Dass er sich dafür entschuldigte, hilft mir auch nicht weiter. Ich weiss, dass das Kind nichts für diese Umstände kann, aber ich muss auch damit leben können, ich müsste es groß ziehen, ich muss einfach Verantwortung dafür übernehmen können. Ich habe unglaubliche Angst davor, das Kind für meine Situation einmal unbewusst zu bestrafen. Mein Leben ist im Moment kompliziert genug. Vor einigen Monaten ist erst meine Oma und vier Tage später mein Vater gestorben. Mal ganz abgesehen davon, dass ich das noch immer nicht wirklich verkraftet habe, hat uns das finanziell auch sehr getroffen. Und da ich allein nicht in der Lage bin, mein Leben mit einem Kind zu finanzieren, würde ich meiner Familie noch auf der Tasche liegen, die ja aber auch nicht weiss, wo sie es hernehmen soll.
Ab und zu frage ich mich, ob ich irgendwelche Ausreden suche, damit ich kein schlechtes Gewissen habe. Ob solche Argumente überhaupt ausreichend sind, um einen Abbruch zu begründen. Oder ob ich einfach nur zu egoistisch bin.
Ich versuche einfach, auf meine innere Stimme zu hören und die sagt mir, jetzt nicht. Und ich denke, dass das Begründung genug ist. Es ist für meinen Körper eine Qual, die ganzen Schwangerschaftsanzeichen durchzumachen. Mir ist schlecht, meine Brüste sind angeschwollen und schmerzen und ich möchte das alles nur noch weg haben.
Es tat gut, das nieder zu schreiben. Denn ich kann über das Thema mit niemandem reden. Schwangerschaftsabbruch ist leider immer noch ein Tabuthema und ich will es vermeiden, dass ich von allen schief angesehen werde. Ich habe so schon genug damit zu kämpfen…

3 Wochen später …
Vor vier Tagen war nun mein Abbruch und ich kann nur sagen, ich fühle mich das erste mal wieder gut, richtig befreit.
Ich hatte in dieser Zeit Angst vor allem… vor dem ersten Termin bei meinem Frauenarzt, dem Termin bei Pro Familia und natürlich vor dem Abbruchtermin. Aber ich muss sagen, ich wurde von allen Menschen positiv überrascht. Alle waren sehr nett zu mir, keine Vorwürfe, keine Fragen – nur Unterstützung. Das hat mir alles unheimlich gut getan.
Den Abbruch selbst habe ich unter örtlicher Betäubung durchführen lassen. Er war klar nicht sehr angenehm, aber der Arzt war unheimlich nett. Er erzählte mir Geschichten und wollte immer, dass ich mitrede, weil es ihm wichtig war, dass er mich reden hörte. Er hat sich wirklich bemüht, mich abzulenken, worüber ich sehr froh war. Als ich dann später ging, half er mir in die Jacke und sagte: "So und jetzt gehen Sie und vergessen uns".
Die ersten zwei Tage nach dem Eingriff waren etwas mühsam, ich konnte nicht lange laufen und merkte es manchmal schon ganz schön, wenn sich die Gebärmutter wieder zusammenzuziehen versuchte. Heute, am 4. Tag, bin ich so gut wie schmerzfrei und je weniger Schmerzen ich habe, um so mehr vergesse ich, was geschehen ist. Es ist irgendwie komisch, ich komme mir nicht so vor, als hätte ich "ein Kind abgetrieben". Eher so, dass ich eben einen Eingriff gehabt habe, bei dem etwas weggemacht worden ist, was da nicht hin gehörte. Ich fühle mich für das, was ich gemacht habe, nicht schlecht. Ich bin einfach nur froh, dass ichs hinter mir habe. Und ich merke, dass mein Leben in ganz neue Bahnen läuft. Es kommt mir so vor, als ob ich jetzt endlich erwachsen geworden wäre, ich denke, ich werde zukünftig einfach bedachter an Dinge herangehen. Ich kann mich auch mit wirklich banalen Dingen befassen und habe richtig Spass daran. Das erste Mal seit Wochen hab ich wieder gute Laune und kann wieder richtig von Herzen lachen. Ich habe neue Energie, einfach nur Lebensfreude und bin voller Pläne.
Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass ich nach dem Eingriff in ein tiefes Loch fallen würde. Das war aber nicht so und anfangs dachte ich, wie skrupellos ich eigentlich bin. Ich bin mir sicherlich bewusst, was ich da gemacht habe, aber die Erleichterung überwiegt die Trauer. Und ich habe da auch so meine Probleme mit der Trauer, weil ich nicht wirklich weiß, wegen wem ich trauere. Ich weiß nicht, was ich verloren habe. – Als mein Vater und meine Oma vor 10 Monaten starben, da wusste ich, um wen ich trauere.
Schlecht fühle ich mich noch, weil ich viele meiner Freunde anlügen musste. Natürlich haben manche gemerkt, dass was nicht mit mir stimmt und die haben sich dann Sorgen gemacht und ich konnte ihnen nichts sagen. Meiner besten Freundin habe ich es auch erst vor einer Woche gebeichtet. Und war erleichtert, wie sie reagiert hat und 100 % hinter mir stand. Ich denke, ich werde in absehbarer Zeit auch noch einige meiner anderen Freunde aufklären, langsam fühle ich mich dazu in der Lage.
Alles in allem hatte ich wohl viel Glück im Unglück. Alle haben mich unterstützt und haben sich wirklich rührend um mich gekümmert. Was sehr an mir haften blieb, war der Satz des Beraters bei Pro Familia, als ich ihm sagte, dass es in meinen Augen sehr egoistisch ist, einen Abbruch vorzunehmen und ob ich überhaupt das Recht dazu habe. Er sagte dann, dass Frauen im allgemeinen ein grosses Problem haben, Rechte für sich einzufordern. Männer würden sich immer das nehmen, was sie wollen. Und damit hatte er wohl auch Recht. Frauen haben bis heute in unserer Gesellschaft einfach eine Geber-Rolle und haben Probleme damit, sich auch mal etwas zu nehmen.
Im Nachhinein bin ich mir ganz sicher, dass diese Entscheidung absolut richtig war. Klar wird mich dieser Abbruch mein Leben lang begleiten, aber ich kann damit leben, ich weiß, dass ich es nicht bereuen werde.

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Abtreibungsgegner