Abtreibung - Schwangerschaftsabbruch: Für das Recht auf einen freien Entscheid


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14. November 2012:
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Berichte von Frauen

Marlen
Ich bin Mitte 20 und hatte gestern meinen medikamentösen Abbruch. Für mich stand diese Entscheidung zwar von Anfang an fest, jedoch war es nichts desto trotz keine leichte Entscheidung. Da ich diese Sache gerne für mich verarbeiten möchte und hoffe, dass ich anderen Frauen in einer ähnlichen Lage weiterhelfen kann, will ich meine Geschichte und Erfahrung gerne teilen.
Vorweg möchte ich erwähnen, dass ich ein Familienmensch bin. Ich wuchs in einer sehr behüteten Familie auf und habe mir auch immer eine große Familie gewünscht. Früher dachte ich mir häufig “Liebes, falls du ungeplant schwanger werden solltest, volljährig und berufstätig bist, bekomm es einfach” – das ist jedoch sehr viel leichter gesagt als getan.
Vor knapp 3 Jahren hat sich auf meinem rechten Eierstock eine Zyste gebildet. Mein Frauenarzt und ich haben diese lange Zeit beobachtet, leider hat sich diese sehr schmerzhaft bemerkbar gemacht und wurde trotz hormoneller Behandlung nicht kleiner sondern nur noch größer. Nachdem sie einen stolzen Durchmesser von 6 cm erreicht hatte fiel die Entscheidung, dass die Zyste operativ entfernt werden sollte. Zum Zeitpunkt meiner OP war unklar, ob es möglich ist, nur die Zyste zu entfernen oder ob auch mein rechter Eierstock fürs Vaterland fallen sollte. Allein dieser Gedanke hat in mir Panik ausgelöst, da es auch meine Fruchtbarkeit bis zu einem gewissen Grad eingeschränkt hätte und ich wollte immer eine Familie haben. Ich habe zu dieser Zeit viel geweint. Mein rechter Eierstock konnte größtenteils erhalten werden und bei anschließenden Untersuchungen bei meinem Frauenarzt meinte dieser immer zwinkernd “Sie können noch so viele Kinder haben wie Sie möchten – und auf die Optik des Eierstocks kommt es ja nicht an”.
Da ich mich zu dieser Zeit sehr in meine Arbeit vertieft habe, wurde mein Kinderwunsch sehr weit nach hinten geschoben, schließlich wollte ich mich beruflich weiterentwickeln, um einer möglichen Zukunftsfamilie auch etwas bieten zu können. Da eines das andere ergibt, hat sich auch lange Zeit keine Beziehung bei mir eingespielt und nach meiner letzten, langjährigen Beziehung habe ich auch die Pille abgesetzt.
Vor etwa 3 Monaten habe ich einen Mann kennengelernt mit dem ich mich gut verstand, wir hatten in etwa denselben Humor, jedoch sonst wenige Gemeinsamkeiten. Er ist ein sehr impulsiver Mensch und liebt mit ganzem Herzen, ich persönlich habe allerdings schon viele Enttäuschungen erfahren müssen und wollte, was die Gefühle betrifft, einen Gang zurückschalten, damit sich alles erst entwickeln konnte – diese Worte waren ihm meist jedoch fremd. Außer dem Humor hatten wir jedoch noch eine andere Gemeinsamkeit und unsere Beziehung entwickelte sich sehr rasch sexuell weiter. Da ich nicht ohne weiteres auf Verdacht wieder mit der Pille beginnen wollte, haben wir vorerst mit Kondomen verhütet. Der Nachteil bei diesen ist jedoch, dass Sie auch reißen können und genau das ist uns passiert. Bereits am nächsten Tag beschlich mich ein unangenehmes Gefühl und als ich morgens unter der Dusche stand, begann ich mit meinem Unterbauch zu sprechen. “Falls sich hier gerade etwas einnisten möchte, das wird nichts mit uns 2 Schätzchen”. Das klingt wirklich sehr grausam, ich möchte jedoch betonen, dass mir schwarzer Humor schon immer geholfen hat, manches zu verarbeiten.
2 Wochen später erwartete ich meine Periode, jedoch blieb diese hartnäckig aus.Da ich allerdings hoffnungsverheißende Unterbauchschmerzen gelegentlich hatte, hoffte ich, dass meine Periode sich einfach nur verspäten würde. Die Brustspannungen waren ein Indiz dagegen. Als ich schließlich 4 Tage überfällig war, beschloss ich einen Test zu machen. Ich machte diesen nachmittags und es bildete sich nur eine Linie, nach genauerem Hinsehen konnte ich jedoch eine zweite, sehr schwache bemerken. Da mich dieses Ergebnis stutzig machte, beschloss ich den Test am nächsten Tag gleich morgens zu wiederholen. Gesagt getan, wir hatten 2 Linien, jedoch war wieder eine dezenter als die andere. Da ich das Ergebnis “scheinschwanger” nicht durchgehen lassen wollte, machte ich tags darauf sofort einen Termin bei meinem Frauenarzt aus.
Da der Ultraschall in dieser Praxis leider kostenpflichtig ist, blätterte ich meine letzten 45 € dafür hin und hoffte, Klarheit zu erlangen. Ich hatte vor dem Ultraschall ein langes Gespräch mit meinem Arzt und es stand für mich fest, dass ich es nicht bekommen wollte bzw konnte. Er war sehr verständnisvoll und hat mit mir alle Möglichkeiten besprochen. Beim Ultraschall selbst konnte man jedoch leider nichts erkennen, da es noch zu früh war, wir hatten also eine 50:50 Chance. Mein Gefühl sagte mir jedoch, dass ich schwanger bin – ich hatte schließlich mein letztes Geld hierfür hingelegt und man konnte nichts sehen – “das Ding ist gemein, ganz die Mama”. Daher bekam ich eine Laborüberweisung für einen Bluttest. 36 Stunden später hielt ich das Ergebnis in der Hand – 3.-4. Woche. Mir schossen viele Gedanken durch den Kopf. Bekommen, abtreiben oder Adoption. Letztere wäre die schönste Lösung gewesen, doch ich hätte es wohl nicht übers Herz gebracht, sehr egoistisch von mir, dessen bin ich mir im Klaren. Abends hatte ich ein langes Gespräch mit dem Kindsvater. Es war unsere gemeinsame Entscheidung, es nicht zu bekommen und wir beschlossen, weitere Schritte in die Wege zu leiten und die Kosten fair aufzuteilen. Da ich den ersten Termin für die medikamentöse Abtreibung allerdings erst eine Woche später hatte, beschlossen wir auch, dass wir in dieser einen Woche die Schwangerschaft genießen wollten und nannten das kleine Ding liebevoll “Krümel”. Allerdings war Krümel wohl der Meinung, dass dies nicht gut für uns wäre und es setzten nachts sehr starke Unterleibsschmerzen bei mir ein. Ich bin, was Schmerzen betrifft, definitiv nicht zimperlich, diese waren jedoch so heftig, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich bewusstlos wurde. 2 Tage später hörten diese Schmerzen auf und es war nur noch ein normales Ziepen.

Zum Termin selbst habe ich meine Mutter mitgenommen. Es wussten nur meine beste Freundin (die tragischerweise erst 4 Wochen zuvor ihr Kind verloren hatte), meine große Schwester und meine Mutter davon Bescheid. Meine Mutter konnte mit der Lage am Besten umgehen. In der Praxis herrschte eine beruhigende Atmosphäre und es waren alle wirklich ausgesprochen freundlich zu mir. Beim Kontrollultraschall konnte man etwas sehen, die Ärztin fragte mich behutsam ob sie mir erklären solle, was zu sehen sei. Ich wollte es und da war es. Ich konnte auch den Herzschlag sehen und war erstaunlicherweise sehr erleichtert, dass es meinem Krümel gut ging und er dort war, wo er sein sollte. Den Kindsvater hatte ich absichtlich nicht zu diesem Termin mitgenommen, da er beim Ultraschall wohl seine Meinung geändert hätte und es nicht verkraftet hätte. Im Anschluss hatte ich noch ein weiteres Gespräch, stellte all meine Fragen und nahm die ersten 3 Tabletten ein. Stunden vor dem Termin hatte ich mich bereits von Krümel verabschiedet und ihm einen Brief geschrieben.
Von den Tabletten wurde ich leicht dösig und habe mich auf meiner Couch zusammengerollt. Am Abend setzten Unterleibsschmerzen ein, diese waren mittelstark (stärker als bei meiner Periode) und kamen und gingen in Wellen. Zusätzlich bemerkte ich eine leichte Schmierblutung. Ich fühlte mich maximal etwas melancholisch, aber sonst ging es mir gut. Am nächsten Tag sollte ich morgens 2 weitere Tabletten einnehmen, damit mein Uterus sich verkrampft und den Fötus ausstößt. Da man mich auf starke Schmerzen vorbereitet hatte, war ich auf das Schlimmste gefasst. Also nahm ich eine Schmerztablette, die ich noch zuhause hatte, dann die ersten 2 Tabletten und wartete, es passierte nichts. Da man mir gesagt hatte, dass dies bei einer sehr frühen Schwangerschaft schon mal vorkommen könnte, nahm ich die 2 Reservetabletten, die ich für den Fall bekommen hatte, 2 Stunden später nach. Es passierte noch immer nichts. Ich wollte nur, dass es endlich losginge, konnte es aber nicht erzwingen. Also ging ich eine Runde spazieren um mich abzulenken. Endlich, nach 4 Stunden setzte die Blutung ein. Schmerzen hatte ich kaum, meine übliche Periode war jeweils viel schlimmer gewesen. Wie prophezeit, war es eine sehr starke Blutung, die mit vielen Blutklumpen einherging, ich untersuchte diese jedoch nicht.
All das war gestern und heute weiß ich, dass mein kleiner Krümel weg ist. Direkte Euphorie verspüre ich nicht, ich bin auch nicht depressiv oder ein anderer Mensch. Mein kleines Ding fehlt mir etwas, aber ich wusste bereits vorher, dass ich so fühlen werde. Ich hatte es sehr lieb gewonnen und es war ein Teil von mir.

Ich habe diese Entscheidung aus Vernunft getroffen. Ich konnte mir nicht vorstellen, mit diesem Mann (den ich gerne habe) ein Kind zu bekommen, ich wollte keine Beziehung mit ihm haben, da ich nicht seine Mutter sein wollte. Mein Konto ist hoffnungslos überzogen und der Kindsvater hat erst vor 2 Monaten einen Kredit aufgenommen (andere Gründe). Aufgrund vieler privater Vorkommnisse (zB tödliche Erkrankung meines Vaters) bin ich emotional nicht auf der Höhe. Es war eine gemeinsame und durchdachte Entscheidung.
Heute ist Allerheiligen. Daher werde ich eine Kerze für meinen kleinen Krümel anzünden. Den Blutbefund, die Teststreifen und den Brief werde ich ein einer Box verstauen und sie gut verwahren.

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Abtreibungsgegner