Abtreibung - Schwangerschaftsabbruch: Für das Recht auf einen freien Entscheid


Argumentarium gegen die Initiative
Nein zur Initiative - Nein zum Rückschritt (auf facebook)
14. November 2012:
Nationaler Verein "Nein zum Angriff auf die Fristenregelung" gegründet

Kurzfilm "Requiem pour un droit" (französisch)
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Berichte von Frauen

Ich war schon vorher überfordert

Karen
… Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich dabei meine drei anderen Kinder versorgen sollte. Ich versuchte mir auch das Baby in meinem Bauch vorzustellen. Ich war mir anfänglich fast sicher, dass es ein Mädchen sein würde. Weil mir so übel war und der Zeugungspunkt so früh. Ich habe mir immer Mädchen gewünscht, hatte aber 2 Jungs bekommen. Ich habe Stunden damit verbracht, in die Zukunft zu schauen. Es wird bestimmt wieder hübsch und klug sein. In Gedanken habe ich den Kaiserschnitt schon geplant und die Kinder bei der Verwandtschaft untergebracht. Die Zeit im Krankenhaus fand ich immer ganz schön, dort wurde ich rund um die Uhr versorgt, jeder war um mich bemüht. Ich konnte mich ganz um mich und mein kleines Baby kümmern. Das konnte ich mir fast vorstellen. Auch habe ich schon nach Namen gesucht.
Aber das große ABER ist vor allem die Zeit danach. Da habe ich dann vier Kinder zu versorgen, wo ich doch jetzt schon mit meinen drei oft an meinen Grenzen bin. Nicht körperlich aber psychisch. Ich leide sehr unter dem Verhalten meiner Kinder. Gerade der Große bringt mich permanent aus meinem seelischen Gleichgewicht. Ich möchte nicht so einfach von ihm beiseite gestellt und ignoriert werde. Ich wünsche mir von allen diese bedingungslose Liebe, die mir der Kleine entgegenbringt, dieses freudige Lachen und Umarmen, dieses Suchen nach Nähe. Dann kann ich glücklich und entspannt sein. Aber der Alltag mit den beiden Großen sieht ganz anders aus. Auch vom Mädchen fühle ich mich abgelehnt. Ich kämpfe den ganzen Tag. Und ich leide darunter, nicht ihre Seelen zu berühren. Sie ignorieren mich, wo sie können oder provozieren mich und ziehen alle anderen mir vor. Diese Ablehnung macht mich verbittert und hart. Das ist ein täglicher Angriff auf mein Selbstwertgefühl. Es belastet mich und es überlastet mich, weil ich nicht in der Lage bin, die Rolle der Bösen zu durchbrechen, so zu sein, wie ich gerne wäre.
Dazu kam, dass ich auch keinen Abstand und keine Auszeit finde, erschöpfte Reserven wieder aufzufüllen. Auch wenn es mein Mann nicht wahrhaben will, ist unser Familienleben eher unterdurchschnittlich. Er arbeitet sehr viel. Es fallen sehr viele Samstage zum Opfer, wertvolle Zeit für mich, die verloren geht. Sonntags ist man vom Rest der Woche meist so erschöpft, dass man dann doch lieber ausruht als sich in Aktivitäten zu stürzen, die mit unseren Kindern in der Regel im Stress und Streit enden. Aber gerade dies verbinde ich mit schönen Kindheitserinnerungen und dies gibt mir Geborgenheit und Gemeinschaftsgefühl. Dies vermisse ich so sehr. Und die Chance, es mit vier Kinder irgendwann zu verwirklichen ist so klein.
Ein weiteres Kind, auch wenn es ein Mädchen gewesen wäre, hätte die ganze Situation nicht verbessern sondern nur noch verschärfen können. So sehr ich es mir auch gewünscht hätte, für dieses Kind habe ich nicht die Kraft und den Mut. Es macht mich so traurig.
Es macht mich auch sehr traurig, dass ich meinem Mann so großen Schmerz zugefügt habe. Ich habe rund um die Uhr mit mir gerungen, ob ich ihm dieses zumuten kann. Oder ob ich aus Liebe sein Kind bekommen soll. Das habe ich ihm nicht so sehr gezeigt, weil ich bei ihm keine Hoffnungen schüren und die Enttäuschung nicht noch vergrößern wollte. Er hätte es gerne behalten. Seine Tränen taten mir sehr weh. Ich war hin- und hergerissen. Ich hätte ihm so gern sein Kind geschenkt. Er dachte sicher, ich bin herzlos.
Ich bin nicht herzlos. Ich habe der Realität ins Auge gesehen. Ich habe mich erinnert an den Tag, an dem wir dieses Kind gezeugt haben. Es waren Ferien. Und trotzdem hatten wir Ärger miteinander. Für einen Familienurlaub war keine Zeit. Darüber hatten wir Streit und auch über die Art der Kindererziehung, über meine Rolle in der Familie. Und eine Freundin musste vermitteln und hatte versucht, meinem Mann deutlich zu machen, dass ich schon damals damit überfordert war. Ich war von früh bis spät mit putzen beschäftigt, ohne Anerkennung, ohne Abstand, ohne Erfolgserlebnisse. Viel allein mit den Kindern. Und das seit 7 Jahren. Wir hatten uns auf eine Putzfrau geeinigt, um mir ein bisschen Freiraum zu schaffen.
Dies war die Ausgangslage, die mich in Panik versetzt hat. Es wird keine Liebe größer oder stärker werden. Es wird nichts leichter werden. Unsere 3 Kinder werden nicht von heute auf morgen friedlich und liebevoll werden. Ich sorge mich sehr um den Großen. Es zerreißt mir jetzt schon das Herz, wie ich ansehen muss, dass er an den alltäglichen Normen zu scheitern droht. Ich möchte ihm das beste geben und schaffe es nicht. Bei meinem Mädchen sehe ich ebenso mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Sie wird ihren Weg besser gehen, aber auch sie legt sich immer selbst Steine in den Weg. Wahrscheinlich hätte auch der Kleine noch große Eifersucht gegen das Geschwisterchen bekommen. Er hätte jetzt am meisten verloren, weil er ganz auf mich bezogen ist. Und vielleicht hätte ich dadurch seine Nähe verloren. Ich wäre unausgeschlafen und vom Stillen erschöpft, hätte noch weniger Verständnis und Geduld für die Zicken der anderen. Ich schaffe es in der Früh nur mit Schimpfen und Drohen, dass die zwei pünktlich im Kindergarten sind. Wie soll ich dies schaffen, wenn ich noch ein Baby stillen, wickeln, anziehen soll, das vielleicht wieder ein problematisches Schreikind sein kann und keinen Rhythmus hat oder einen anderen als meine Uhr vorsieht. Ein problematisches Schreibaby hatten wir bereits. Ich habe nur Ungewissheiten gesehen.
Aber nun war keine Zeit mehr, die Zukunft zu planen. Es gab nur ein JA für den Rest des Lebens oder ein NEIN, mit der Gewissheit, dass Narben bleiben, die dann irgendwann verblassen. Ein Gewinnen war sowieso nicht mehr möglich. Dass ich dies nicht allein schaffen würde, war mir klar. Und die Gesellschaft hat in der Regel auch kein Verständnis für eine überforderte Mutter von vier Kindern, geschweige denn Anerkennung für ihre Leistung. Nicht einmal meine eigenen Eltern hätten mich verstanden. Und da ich ein überaus ängstlicher Mensch bin, noch dazu ein Pessimist, konnte ich mich nicht dafür entscheiden.
Bis zu dem Sonntag Abend, an dem ich endgültig den Entschluss gefasst habe, mich von dem Baby zu trennen, war ich von Panik und Angst erfüllt. Ich hatte permanent einen Kloß im Hals, Beklemmungen, Herzrasen, Schweißausbrüche, konnte nicht entspannt atmen. Kann sich ein Baby unter diesem Stresseinfluss gut entwickeln? Hätte ich doch noch Zutrauen in mich selbst bekommen und Vorfreude? Ich weiß es nicht. Ich war nur selbst enttäuscht.
Ich möchte mein Leben allein und gut meistern können mit Hilfe meines Mannes. Ich möchte nicht jahrelang auf Hilfe der Verwandtschaft angewiesen sein, um mein und unser Leben regeln zu können. Dafür habe ich keine Möglichkeit gesehen. Letztlich war mein Entschluss, dieses Baby nicht zu bekommen, für mich rational der einzige Weg. Ich habe mich von ihm verabschiedet, habe mir die Ultraschallfotos angeschaut, habe mich entschuldigt.
Mit diesem Entschluss ist eine plötzliche Ruhe in mich eingekehrt, für zwei Tage.
Die OP an Dienstag habe ich entspannt und ohne Angst über mich ergehen lassen. Ich war bereits in der 10. Woche. Ich hatte eine Vollnarkose. Als ich aufwachte, war ich ruhig und erleichtert. Keine Schmerzen. Ich war nicht mehr schwanger. In Gedanken war ich nur bei meinem Mann. Wie wird er mich anschauen? Ich hatte Angst davor. Und als er mir den Strauß Rosen gab, war ich ergriffen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte das Gefühl, alles wird gut.
Aber wie viel Rationalität steckt in einem Menschen? Gefühle kommen und gehen, sind irrational.
Die ersten zwei Tage hat diese Ruhe angehalten, ich hatte mit den Nebenwirkungen des Methergin zu kämpfen. Mein Gesicht war aufgeschwollen, ich hatte leichte Gesichtslähmungen und Sehstörungen, immer mal wieder Schweißausbrüche. Am Donnerstag, dem dritten Tag danach habe ich sehr viel geweint. Ich habe auch am zweiten, dritten Tag nach der Geburt meines Jüngsten im Krankenhaus geweint, immer wieder. Damals waren es die Hormone, die Umstellung von schwanger auf normal. Nun ist es mehr. Nun trauere ich auch..
Vielleicht ist es auch wieder der Hormonumschwung oder notwendige Aufarbeitung. Ich habe es in meinem Herzen, es war da und es wird immer da bleiben. Das war der einzige Platz, den ich ihm geben konnte. Aber es beruhigt mich nicht. Ich weiß, dass ich mich im Mai daran erinnern werde, jetzt würde es geboren. Das war mir vorher schon bewusst. Ich will es gar nicht vergessen. Und ich habe ein ganz tiefes Bedürfnis nach Zuwendung zu meinem Mann. Ich möchte ihn ganz nah bei mir haben, in seinem Arm liegen. Ich traue mich noch nicht, ihm in die Augen zu sehen, weil es meine Schuldgefühle und mein Versagen nur noch vergrößert. Er leidet auch sehr, versucht aber für mich stark zu sein. Er hatte auch um meine Gesundheit Angst und hätte sich gesundheitliche Schäden bei mir nie verzeihen können, konnte es deshalb nicht beschützen. Das nagt sehr an ihm, treibt ihm auch immer mal wieder Tränen in die Augen. Aber er gibt mir die Sicherheit, das diese Entscheidung von ihm mitgetragen wurde.
Im nachhinein schäme ich mich sehr. Ich möchte mich verkriechen und lange Zeit nicht mehr hervorkommen. Jede Frage nach meinem Befinden wirft mich völlig durcheinander. Ich habe Angst vor der Nachuntersuchung bei meinem Arzt. Er hatte mir beim letzten Mal in der Praxis ganz betroffen und liebevoll die Hand auf die Schulter gelegt und mir ganz leise viel Glück gewünscht. Er hatte sicher eine Ahnung, was mir bevorsteht. Und seine Ahnung wird er bestimmt bestätigt sehen. Ich hoffe nur, dass ich nicht in Tränen ausbrechen werde. Wie kann jemand anderes das verstehen. Sich gegen etwas zu entscheiden und es dann so zu beweinen, wenn ich es selbst nicht verstehen kann.
Es ist aber kein Tumor, den man sich herausschneidet, weil er Krebs werden könnte. Es hätte auch etwas schönes werden können. Und deshalb ist Zweifel an der Legitimität meiner Gründe vorhanden. Er wird momentan immer größer. Ich frage mich, ob es wirklich die richtige Entscheidung war. Ich wäre daran nicht gestorben. Da bin ich mir sicher. Ich hätte nur große Probleme gehabt, mein Leben zu meistern. Der Frust, an meinen eigenen Ansprüchen zu scheitern, hätte mich auch zum Psychiater führen können. Ich werde nie herausfinden, was ich besser verarbeiten kann. Vielleicht werde ich diesen Zweifel nie los. Ich kann meine Gefühle nicht verstehen. Was mir ganz klar als richtig vorkam, kommt mir jetzt falsch vor. Ich würde so gern mein Gewissen beruhigen. Aber ich kann noch gar nicht klar sehen. Ich habe große seelische Qualen. Würde es am liebsten wieder rückgängig machen. Aber ob ich wirklich anders entscheiden würde, weiß ich auch nicht. Ich spüre auch etwas Erleichterung. Meine Ängste sind fort. Kurzzeitig habe ich auch eine tiefe innere Ruhe. Und es sind erst 7 Tage vergangen. Ich habe auch noch die Hoffnung, dass wieder alles gut werden kann.

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