Letzte Aktualisierung
05.11.2007
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Erfahrungsberichte von Frauen
Damit muss ich klar kommen
Sonja
ja, ich dachte, dass das Leben nicht mehr weiter gehen werde, als mir mein
Frauenarzt mitteilte, dass mein ungeborenes Mädchen die Trisomie 21 hat;
besser bekannt als Down Syndrom. Ich weinte nur noch! Ich konnte an nichts
anderes denken, als an mein ungeborenes geliebtes Mädchen! Aber ich wusste
von Anfang an, dass dies über meine Grenzen hinaus ging, diesem Mädchen
das Leben zu schenken. Trisomie 21 kann ja so aussehen, dass man den
Kindern ausser ihr Aussehen kaum was ansieht. Es kann sein, dass sie ein
fast normales Leben führen können; es kann aber auch sein, dass sie
schwerwiegende Fehlbildungen haben wie zum Beispiel Lungen- oder
Herzschäden.
Ja, meine Worte waren einmal: wegen einer Trisomie 21 würde ich niemals
abtreiben! sage niemals nie! Die Umstände waren nun anders als damals, wo
ich dies sagte. Es würde eigentlich alles, aber wirklich alles stimmen bei
mir! Ich habe einen lieben Mann, super Eltern und genauso super
Schwiegereltern, ich habe super süsse Kinder; einen Sohn, 6 Jahre und eine
Tochter 4-jährig. Es sieht gut aus, und ihr fragt euch warum nur hat sie
abgetrieben?!?
Meine Tochter ist leider behindert! Man kennt den Namen der Krankheit
nicht, wir wissen nur, dass sie ohne Hilfe nichts lernen kann. Das heisst,
dass sie nicht von selber sprechen lernt oder sie kann auch nur schlecht
gehen. Dafür ist sie sehr fröhlich und aufgestellt! Das gibt mir die
Kraft, die ich brauche, um den Tag mit ihr zu verbringen. Ich bringe sie
jeden Tag in eine Therapie. 2x Logopädie, 1x Früherziehung, 1x spez.
Spielgruppe und 1x Physiotherapie. Und dies jede Woche. Ja, manchmal ist
es sehr anstrengend, denn sie hat den Stand von einem 1 1/2 jährigen
Mädchen; ich kann sie nicht alleine lassen, muss immer schauen, was sie
macht. Nun sieht man eher, dass da ein zweites behindertes Kind schlecht
Platz hat. Und doch habe ich manchmal das Gefühl, dass ich es nicht hätte
machen sollen…
Alles fing damit an, dass ich eigentlich ungewollt schwanger wurde; trotz
Verhütung! Zuerst waren wir erstaunt, aber wir freuten uns riesig darauf.
Weil unsere Tochter behindert ist, liessen wir unser Ungeborenes testen;
dass heisst, die Ärzte mussten die Nackentransparenz messen. Da das aber
zu ungenau war, und die Ärzte sich nicht sicher waren, entschieden wir uns
für den Fruchtwassertest. Ich war mir immer sicher, dass ich ein gesundes
Kind unterm Herzen trage! Ich war nicht nervös, als ich auf der Fahrt ins
Frauenspital war, ich war mir so sicher!
Einen Tag später sagte mir dann mein Arzt, dass das Kind die Trisomie 21
habe! Ich fiel so tief in ein Loch, ich dachte, da komm ich niemals mehr
raus! Ich wollte nicht abtreiben; ich bin und war gegen Abtreibung! Ich
weinte nur noch! Meine Kinder schauten mich fragend an… ich weinte! Zum
Glück habe ich so einen liebevollen Mann! Er hat mich unterstützt, wo er
nur konnte! Wir redeten über jede Möglichkeit, dem kleinen Sternchen eine
Chance zu geben; doch immer wieder kamen wir auf dieselbe Antwort: es ging
über meine/unsere Grenze hinaus. Unser Sohn würde noch mehr abseits
stehen. Für alle Beteiligten war es besser abzutreiben, nur für unser
Sternchen war es… wer weiss, …
Wir gingen dann zu einem Professor, der uns die Trisomie 21 näher erklären
sollte, der uns vielleicht die Entscheidung ein wenig leichter machen
könnte, aber nein, die Entscheidung liegt ganz alleine bei uns; das heisst
bei mir! Ich weiss, dass wenn ich mich für unser Kind entschieden hätte,
hätte mein Mann zu mir gehalten!
Am 3. August fuhren wir dann, ohne ein Wort zu sagen, in die Klinik. Dort
gab es Missverständnisse, aber letztendlich kam ich doch in ein Zimmer.
Mein Mann war immer bei mir! das war eine riesengrosse Stütze! Die
Hebammen wie auch die Ärzte waren sehr freundlich und versuchten, sich
immer wieder in meine Situation zu versetzen. Ich bekam dann vaginal eine
Tablette eingeführt, die die Wehen hervorrufen sollte. Alle sechs Stunden
wurde dies wiederholt. Manchmal hatten wir sogar was zu lachen, mein Mann
und ich, dann, 2-3 Minuten später war ich am weinen! Es war schrecklich!
Ich hatte fast keine körperliche Schmerzen, doch die seelischen
Schmerzen… ich finde keine Worte, die die seelischen Schmerzen
beschreiben würden! Es war einfach nur schrecklich!
Dann am 4. August kam es zur Welt. Ich spüre mein Schätzchen noch jetzt,
wie es kam! Es nahm ein riesengrosses Stück von meinem Herzen mit! Es tat
so fürchterlich weh, es so zu geben! ich vermisse es so sehr!
Ich überlegte mir kurz, ob ich es anschauen will oder nicht. Nun bin ich
froh, dass ichs gesehen habe und doch bin ich noch trauriger. Es war alles
da! Ich würde dieses Erlebnis nicht meinem ärgsten Feind wünschen!
Wir hatten noch keinen Namen, daher ist es einfach mein Schätzchen, mein
Sternchen oder einfach mein geliebtes Mädchen. Es war schlimm, ein Kind
geboren zu haben und dann ohne ein Kind nach Hause zu fahren! Das war
fürchterlich! Wir liessen dann unser Mädchen kremieren. Und bin ich sehr
froh, dass ich die Urne zu Hause haben kann; ich schmückte die Stelle fast
wie ein Grab. Es brennt eine Kerze daneben und ein süsses kleines
Pflänzchen verziert den Platz. Ich gehe oft an diese Stelle, denke über
das Ganze nach und dann muss ich immer weinen. Ich "weine" mich dann immer
in ein Tief; was meistens dann geschieht, wenn ich alleine zu Hause bin
und ich wäre froh, wenn ich mich nicht so entschieden hätte… –
dann, wenn ich mich wieder gefangen habe, weiss ich, dass der Entscheid
richtig war! Mein Sohn kommt schon in der jetzigen Situation zu kurz, wie
ginge dies mit einem zweiten behinderten Kind… ja, ich musste mit dem
Kopf entscheiden und nicht mit dem Herzen, aber die ganze Situation zwang
mich, so zu entscheiden.
In dieser Zeit, habe ich meine Familie gut kennen gelernt. Ich habe Seiten
an meinen Brüdern entdeckt, die ich nie kannte. Auch sie hat es sehr
mitgenommen.
Nun ist ein wenig Zeit vergangen und ich denke, es kann sich niemand
vorstellen, der dieses Erlebnis noch nie erleben musste, wie gross der
Wunsch nach einem weiteren Kind ist! Am liebsten wäre ich sofort wieder
schwanger. Doch da habe ich nun auch mit dem Kopf entschieden. Ein viertes
Kind möchte ich/ wir ganz sicher, doch es soll noch ein wenig Zeit
vergehen; es darf kein Ersatz sein! Dieses Erlebnis darf aber auch niemals
vergessen gehen! Daher finde ich es gut, wenn man darüber weinen
muss/kann. Dies ist eine Entscheidung, die ich weder dem Schicksal, noch
dem Satz "es hat so sein müssen" in die Schuhe schiebe; diese
Entscheidung habe ich alleine getroffen und mit dieser Entscheidung muss
ich nun klar kommen! So hart dies auch tönt; aber ich will es mir nicht
leicht machen, indem ich sage: es musste halt so sein. Dies stimmt für
mich so, für andere Frauen stimmt dies nicht! Aber ich denke, dass dieser
Weg, den ich mir so vorgelegt habe, dass der richtig ist, und dass ich
meine Geschichte so am besten verarbeiten kann; sie soll aber niemals
niemals vergessen gehen! Daher finde ich es gut, wenn man weint, wenn man
sich damit beschäftigt, wenn man nicht unbedingt den leichten Weg geht.
Dies ist nun mein Erlebnis, meine Gedanken die ich habe, die ich mit viel
Weinen aufgeschrieben habe und wo ich froh bin, wenn man dies
veröffentlichen kann, denn wenn es irgendwie geht, möchte ich damit den
Frauen helfen, die vor einer solchen Entscheidung stehen oder sich
entschieden haben und nicht mehr weiter wissen!
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